Richtung Ärmelkanal

Es deutete sich ja an – die Schotten haben die Schotten dicht. Deutschland und Norwegen stehen – anders als Malle und Madeira – trotz Niedriginzidenz weiter auf der Liste der gelben Länder. Dies bedeutet neben mehreren Test, dass man bei Ankunft in Schottland für 10 Tage in Quarantäne gehen muss. Nur wer in UK (!!) vollständig geimpft ist, kann die Qurantäne vermeiden. Schade aber Realität.

So haben wir schon bei der Ankunft in Mandal beschlossen Stavanger nur mit dem Bus zu besuchen (siehe Reisebericht). Mit dem eigenen Boot hätte es mindestens 3 Tage hin und auch wieder zurück bedeutet. Entlang einer eher schwierigen weil offenen Küste.

Jetzt tritt Plan B in Kraft: Wir werden über Dänemark, ggf Helgoland in den Ärmelkanal fahren und auf der EU Seite dann Richtung Biscaya reisen. Wir hoffen, dass morgen dazu der Wind passt.

Vorher geniessen wir direkt vor der Bühne liegend das Hafenfest in Mandal heute abend

Kristiansand- Mandal- Stavanger

Gegenwind und teilweise sehr enges Fahrwasser- bei Boey war in der engsten Stelle eine Reparaturwerft- wie passend. Mandal ist ein traditionsreicher Ort der Sommerfrische, teilweise kommen die Familien seit dem 18. Jahrhundert im Sommer an die Küste. Die Kiefern am wunderbaren Sandstrand stammen aus Schottland und wurden nach einer Flutkatastrophe angepflanzt. Trotz eines verheerenden Sturms 2003 kann man noch schön im Schatten am Strand entlangspazieren. Schicke Stadthalle. Wir beschließen, mit dem Bus nach Stavanger zu fahren. App besorgen, anmelden, Tickets kaufen- ohne Smartphone geht mal wieder nix. Schon die Fahrt mit dem Bus nach Stavanger ist ein kleines Abenteuer: irgendwo im Nirgendwo liegen zwei Haltestellen an der E 39 im Abstand von 200m beieinander- an welchem hält wohl unser Bus? Wir haben Glück und der Bus hält für uns. Die Fahrt ist abwechslungsreich- Moore, Schafweiden, Bergwälder, wir überqueren in Kreuzfahrtschiff-Höhe den Flekkefjord, Bergbäche begleiten die Strasse. Natur ist nicht alles- die gesamte Strecke wird beleuchtet, viele, auch lange Tunnel sind dramaturgisch geschickt als Szenenwechsel eingebaut.


Stavanger
Hotel, oh wunderbar weiches Bett, Warmwasser ohne Nachzahlung, Kaffee aus guten Automaten zum Frühstück: schierer Luxus.
Überall in der Stadt ist Streetart versteckt, bei den vollintegrierten Jugendlichen können wir uns nur vorstellen, dass es Auftragsarbeiten sind und nicht unbotmäßige Aufmüpfigkeiten. Es macht Spass, diesen Subtext zu finden. Am Hafen zischen plötzlich zwei Möven dicht über unsere Schultern, sie machen eine halbe Synchronrolle, eine nimmt einen Extraschwung mit den Flügeln und nutzt den Vorsprung, um die andere anzupicken, beide kippen geschickt seitlich weg in den Sturzflug und fliegen parallel weiter, als wäre nichts geschehen. Was hätten Auguren zu solch einer Aufführung gesagt?
Ein älterer Mann, zerknittertet Anzug, bewegt sich auffällig. Völlig verdröhnt, aber die Füße trippeln in einem imaginären alten Quadrilletanz, taktfest, dicht am Wasser, schwankend, die Arme rudern, die Finger bilden die typischen barocken kleinen Straußhändchen mit weiträumigen Arabesken. Die Tanzausbildung überdauert selbst den Rausch.

Das elektrische Ausflugsboot bringt uns über den Haugesund zum Lysefjord, natürlich gibt es Peer Gynt Musik zur Untermalung. Wir kommen an Lachsfarmen und einer verlassenen Miesmuschelzucht vorbei, das Panorama wechselt mit jeder Biegung. Warum hat es für die Fjorde keinen Anselm Adams gegeben wie für den Yosemitepark? Wir werden mit dem Bus zum Parkplatz gebracht, von dem aus die Wanderung zum Preikestolen beginnt. Covid sei Dank ist es nur voll,nicht übervoll. Die Norweger tänzeln trittischer wie die Gemsen über die Steine, aber seitdem ich chinesische Musik und asiatisch aussehende Touristen gespottet habe, weiß ich, dass dieser Weg auf der to-do Liste der Welt ist. Der Weg selbst ist schon schöne, über Hochmoore und an Bergseen vorbei, teilweise wie Stufen ausgearbeitet, an den letzten Stellen durch solide neue Holzveranden gesichert. Das Plateau selbst hat keinerlei Sicherungen, der Blick nach unten saugt und zerrt an den Nerven. Auf dem Rückweg kommen wir an einem älteren Mann vorbei, der schon mit Verband um Kopf und Knie versorgt ist, aber anscheinend nicht weiter kann. Wenige Schritte weiter hören wir den Hubschrauber, ein Retter seilt sich ab und begleitet den Mann in der Rettungsschlinge nach oben. Extrem schnell und professionell.

In Stavanger dann das Ölmuseum. Öl ist die Basis für den Reichtum Norwegens. Die notwendige Transformation wird gesehen. Schon heute wird 20% weniger Öl gefördert als vor wenigen Jahren, Tendenz stark fallend. Eine Herausforderung für das Land

Friday/Saturday Night in Arendal

Arendal gibt sich Mühe, südliches Ferienflair zu verbreiten, in einem Café-Innenhof gibt es Comedy ganz und gar norwegisch, lustige Dialoge, bei denen ein Mann eine Nachtmütze auf dem Kopf hat und eine Basstuba die musikalische Untermalung leistet. Ein Café weiter eine ältliche Blues-Covercombo, um die Hafengasse flanieren Familien mit hinterherzockelnden Teenagern auf der Suche nach einem Restaurant, andere haben sich entschieden und stehen in einer Schlange vor den schickeren Restaurants auf der Ostseite des alten Hafens. Man sieht hochhackige Schuhe und weiße Hemden. Es hat eine Weile gedauert, bis ich die modischen Codes entschlüsseln konnte: Kleider mit mehreren Lagen Rüschen sehen zwar aus wie Sahnetorte, sind aber top modern und, wenn die Trägerin die Schulter noch freirückt eine klare Freitagsnachtansage. Mädels sind in Dreiergrüppchen unterwegs, Jungs eher in größeren Grüppchen und ziehen dann aufgekratzt mit ausgreifenden Schritten los. In einer Gruppe gibt es Geplänkel, eine Familie setzt sich ostentativ hin und hält Blickkontakt, schließlich nimmt einer den bedrängten Kumpel, der sich das nicht gefallen lassen will, und schiebt ihn aus der Konfliktzone. Es gibt auch diverse Sicherheitskräfte, die herumlaufen. Wir sind zu müde, um den Ereignissen des Abends weiter zu folgen. Was braucht man Theater, wenn man dem Leben zuschauen kann? Aber immer liefert uns unsere Phantasie das offensichtliche.
Statt Auto-Posing gibt es Motorboot -Stunts. Ein relativ kleines Boot, vollgestellt mit Wikingern, in der einen Hand das Bier, die andere nach oben gereckt, wenn die Musik und die Balance es zulassen, schwappen sie durch den Hafen. Auf dem großen Motorboot sitzen drei distinguierte Paare mit Weißwein oder Gin-Tonic Gläsern, leider ist das Abendessen nicht gut gelaufen, die Konversation ist in Handygedaddel heruntergedimmt.
In den späten Neunzigern haben wir in Berlin diverse Entwicklungspläne für Bauland betrachtet: an den Erschließungsstraßen drei- oder viergeschossige Mehrfamilienhäuser, zur Lärmdämmung, dann Doppelhäuser und innen drinnen die Villen. Hat den Vorteil, dass jeder nur auf jeweils eine teurere Wohnsituation schaut und nicht zwei Preisklassen weit blicken muss. Im Hafen ist es umgekehrt, außen liegen die großen Yachten und Motorboote (dort sind die Boxengrößen nicht so strikt vorgegeben), innen die kleineren Boote. Die Bootsgrößen sortieren sich gemäß der vorgegebenen Wassertiefe/Stegstruktur. In der Marina: Weiter hinten sind viele kleinere Boote untergebracht, die ja auch Fahrdienste leisten („bring mich mal schnell zu…“). Die Marina in Arendal kann nur online gebucht und bezahlt werden, bei voll norwegischer Sprachführung und noch nicht so elegant integrierten elektronischen Zahlungsmitteln eine gewisse Herausforderung. Lustigerweise führt die Digitalisierung hier zu verstärktem Personaleinsatz: mehrfach täglich schauen Ferienjobber herum, ob der Liegeplatz, an dem ein Schiff liegt, bezahlt ist. Häfen sind im Grunde bereits heute Modelle für schwimmende Städte, insbesondere hier: Man fährt sein Ferienboot in der Größe eines kleinen Häuschens vom Norden in den Süden, dockt dort an mit Wasser und Strom und bildet eine kleine Stadt (hier in Arendal vielleicht 500 Boote, also vielleicht 1500 Leute). Sanitäranlagen, Waschmaschinen, Müllabfuhr, Fäkalienentsorgung der Septiktanks werden geteilt über die Liegegebühren. Ob die Steganlage im Herbst abgebaut wird oder gegen Eisgang geschützt wird, wird vermutlich von Ort zu Ort unterschiedlich gehandhabt. Das deckt die Minimal-Infrastruktur ab- was ist mit komplexeren, sozialen Strukturen?
Arendal hinterlässt einen gemischten Eindruck: eine Schar von fancy People genießt die Sonne, Freizeit, speist fürstlich und geht auch zum Friseur, Nagelstudio (sonst noch nie gesehen) oder Spa. Die Landesverwaltung hat sich mit einem schicken neuen Gebäude eingerichtet und die Bauwirtschaft unterstützt, aber viel lokales, ganzjähriges scheint es hier nicht zu geben. Im Internet kursieren Aufsätze über die Entwicklung von neuen Dienstleistungssekturen durch Ankurbelung der Nachfrageseite- fast könnte das missglückte Marina-Buchungssystem ein Beispiel sein. Im glossy fancy Arendal magazine ist ein Artikel über ein Batteriefabrik und in der Zeitung sehe ich eine Zeichnung, die die ausgemusterte Ölbohrstation in einen Fähranleger umbauen will. Große Pläne.

Mit Gegenwind nach Kristiansand
Wurde von den Dänen 1656 angelegt, wie die spanischen Kolonialstädte im Rechteck-Schema, im nordwestlichen Quadranten stehen noch Holzhäuser, ganz dänisch hygge mit Blumen und Bank. Der Industriehafen ist von Fährbetrieb (Dänemark) geprägt und hat eine kleine Containerlagerfläche, Fisch natürlich auch. Für eine Stadt mit ca 120.000 Einwohnern ein fantastisches Kulturangebot: Theater, separates neues und prächtiges Opernhaus, riesige Bibliothek, Kunsthalle, mindestens drei freie Galerien, ein ehemaliges Silo wird zum Kultureventspace umgebaut. Die Kanalbyen ist nach dem Vorbild von Malmö, Oslo etc im Bau, verdichtetes Wohnen, vier bis fünfgeschossig, Blick aufs Meer, sieht hochwertig aus. Die einen werden sagen, schade um die schönen alten Holzhäuser, die anderen könnten meinen, dass Europa einfach auch von den Wohnbedingungen her und architektonisch zusammenwächst.

Arendal

Wir bewegen uns an der Norwegischen Südküste – dem Feriengebiet der Norwegischen Wassersportler – langsam nach Westen.

Es ist weiter hochsommerlich, die Sonne scheint, die Temperaturen sind hoch aber der Wind ist doch eher schwach. So heißt es des öfteren Segel hoch, Motor aus – Segel runter, Motor an. Will man möglichst Segeln kommt man nur langsam voran. Die geplanten Tagesetappen stellen sich damit als zu optimistisch geplant das, wir bauen Zwischenstops ein. Nach Stavern ging es in das Sorlandet Ferienresort (siehe Reiseberichte) und dann nach Arendal (mit tatkräftiger Unterstützung des Dieselwindes). Bei der Ankunft um 13 Uhr mit mehreren Booten Kreiseln vor dem vollen Hafen. Ein freundlicher Norweger hatte aber signalisiert, dass er bald rausgeht – wenig später lagen wir in der Box. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen im Hafen, Einkaufen mit dem Boot und dann wieder in die Hütte auf dem nahen Felsen.

In der Stadt tobt das Sommerleben bis spät in den Abend – Restaurants, Eisdielen, sogar Live Musik. Es ist hell und warm.

Morgen sind wir 3 Wochen unterwegs. Damit ist auch klar, dass wir uns nicht auf einer Urlaubsfahrt befinden, die normalerweise ja eben 3 Wochen reicht. Etwas müssen wir uns noch daran gewöhnen. Wäschewaschen, Bootspflege etc war bislang bein Sommertörn nicht nortwendig, dafür aber möglichst viel sehen. Jetzt müssen wir die Balance etwas neu einjustieren

Nächster Stop soll Kristiansand werden. Leider ist jedoch für die nächsten Tage Wind genau von vorne angesagt.

Sommeridylle

Risør ist voll, wir legen an einem Anleger in einer Ferienanlage an. Die Großwetterlege folgt nicht dem klassischen Sommer-Westwindschema, es ist Flaute angesagt für Morgen. Zuhause Überschwemmungen, Klima kapput.
Nachts sehe ich stundenlang zwei Sternen durch die Luke zu, die sich trotz des sommerhellen Nachthimmels zeigen. Die Stille ist ohrenbetäubend. Da- babe ich Käuzchen gehört? Regelmäßiges Platschen- ich glaube nicht, dass es ein Schwimmer ist, eher ein Tier. Bei einem Ausflug mit dem Dingy sehen wir einen Seehund, i ch habe keine Ahnung ob er beim Schwimmen Geräusche machen könnte, die man auf Wasserhöhe hören könnte. Tagsüber horche ich viel mehr als sonst: ob das Boot oder der Motor Geräusche machen, die ungewöhnlich sind, ob man sich nähernde andere Boote hört, aber vor allem die Schreie der Vögel um mich herum: Mal dominieren die Möven den Luftraum und organisieren sich durch ihre kehligen Krächzlaute, manchmal tobt eine Horde von Seeschwalben herum, oder in der Ferne beginnen sich die ersten Schwarmformationen zu bilden und erinnern daran, dass der Herbst hier oben wohl früher anfangen wird.
Vorerst ist hier aber Sommer, ein Norweger empfindet es gradezu als mediterran. Viele Familien haben drei Kinder, der Campingplatzsituation entsprechend alle ganz jung. Tagsüber schwimmen sie wie Otter im Wasser, Geplansche bis in die Nacht hinein. Generell wird das Motorboot genutzt wie ein Auto, jede Hütte hat einen Steg oder mindestens einen Haken zum Anlegen, Google weiß keinen Weg von unserer Anlegestelle bis nach Risør. Da ich nicht in die Schlafräume und eventuell dort hausende daddelnde Teenager sehe, kommt mir das Leben hier in der Anlage vor wie vor 50 Jahren. Meinem Alter entsprechend genieße ich diese Illusion.

Über Horten nach Stavern

Wir haben Oslo verlassen und sind gestern und heute über Horten nach Stavern aus dem Oslofjord herausgefahren.

Stavern ist ein norwegischer Ferienort. Im Winter leben hier 3000 Leute, im Sommer mehr als 10000. Der Gästehafen ist total überfüllt, viele Schiffe ankern vor dem Hafen. Aber Dank des freundlichen Hafenmeisters konnten wir noch einen Platz – mit Heckanker – reservieren.

Für Norwegen ist es sehr warm, noch um 19:30 Uhr brennt die Sonne.

Langsam werden wir uns in den nächsten Tagen nach Mandal vorarbeiten.

Dort entscheiden wir über die nächsten Schritte. Noch hat Schottland seine Einreisebedingungen nicht gelockert. Wenn dies so bleibt werden wir in Richtung Dänemark, Niederlande, Ärmelkanal abdrehen

Oslo

Am Rande von Tjuvsholmen ist ein Spielplatz- für Erwachsene und Kinder, Skateboarder klackern über die Blöcke, Jungs üben Parcours-Schwünge, andere nutzen die Geräte für Krafttraining. Am Rande steht ein Baum, könnte der Baum aus dem Auenland sein, aber der Stamm ist aus Pappmaché und die Blätter leuchten grün, hellgrün oder zartlila, ich werde beobachten müssen, ob die Farbe von irgendwas abhängt- Uhrzeit, Jahreszeit, Wind Temperatur. Mit der Klarinette sitze ich dort und mache mich mit dem Instrument vertraut. Nach einer Weile kommen zwei junge Männer vorbei und bedanken sich für die musikalische Untermalung, dabei ist es doch bislang nur das, was das wunderbare Instrument freiwillig von sich gibt.
Die erst kürzlich gelockerten Einreisebestimmungen haben die Touristen weitgehend ferngehalten, wir haben Akershus fast für uns allein. Das Schloss ist von seinen Dimensionen beeindruckend (gibt es eine anthropologische westeuropäische Konstante, das die Ausmaße der Schlossauffahrt ein Vielfaches der Körpergröße und des BIP der Einwohner ist?). Der Park ist von Anfang an öffentlich zugänglich gewesen (einzig in Europa). Rechter Hand die Statue einer Maud, Königin von Norwegen, aus Granit, viktorianisch gekleidet, eine Figur wie gedrechselt. Die Statue ihres Mannes, mit Blickachse auf den Hafen aufgestellt ist von verlängerter Gestalt, bürgerlich gekleidet, der Kopf trägt individuelle Züge, die Kopfbedeckung hält die rechte Hand über dem Herzen, beeindruckend menschlich.
Im Königinnenpark hinter dem Schloss ein Statue von Claudine Colbert, Sufragette. Ein erläuterndes Photo zeigt die aktuelle Königin bei der Niederlegung von Blumen. Ob der Fall des Cape, der an die Historiengemälde des 19. Jahrhunderts erinnert, wirklich zufällig ist? Noch an vielen weiteren Stellen erläutert die Stadt sich mit Bildtafeln, der Storting. Ist mir das erst jetzt aufgefallen, wie sehr damit das Selbstverständnis einer Stadt, eines Staates formuliert wird?
Die Achsen sind natürlich geplant, bereits im frühen 19. Jhd. : Schloss- Theater/Universität und dahinter der Storting, das Zentrum der bürgerlichen Macht. Am Platz vor dem Theater schneiden sich die Achsen vom Hafen, das neue Nationalmuseum ist auch darauf ausgerichtet wie auch die Verbindung vom Rathaus kommend. Fein austariertes Spielfeld der Einflusssphären.
Deichmanns Halle: eine Stadtbibliothek der Superlative, der Traum des Bibliothekars, edle Lesesessel, großzügige Öffnungszeiten, Musikspielräume, norwegisch ist leider kein einfaches Ratespiel, ungeheuer einladend (ab einer bestimmten Größenordnung muss jede Kommune eine Bibliothek betreiben, und hier ist natürlich die Schönste.
Alles ist digital, im Restaurant scant man einen qr-Code, wählt dann die Speisen und bezahlt digital. Wenn das Essen fertig ist, bekommt man eine SMS und holt es ab- leider haben wir kein norwegisches mobilepay. Tickets für die S-Bahn sind auch nur noch über App zu bekommen. Um einkaufen zu können, müssen auch Kinder eine Geldkarte haben.
Abends im Hafen findet auf einem Motorboot-eine Party statt, wie im Comic ein halbes Dutzend der Schönsten Mädchen der Stadt und entsprechend viele Wikinger, Champagner kreist. Die Länge der Boote wird nicht mehr in Fuß, sondern Metern angegeben. In den Restaurants wird gefeiert, schön, edel, teuer. Die Appartments werden bei arbnb für 260$ pro Nacht angeboten, aber eigentlich schätze ich, dass das die location für expats ist oder Analysten des norwegischen Staatsfonds, die modernen Fürsten. Büros von Bearing Point etc..
Es regnet- ein Museum muss angesteuert werden
Das Historische Museum ist köstlich verstaubt, ich hatte ein Museum mit der Intention, ein norwegisches geschichtliches Selbstverständnis zu definieren erwartet, statt dessen eher ein Völkerkundemuseum älteren Zuschnitts. Wunderbarer Goldschmuck aus der Migrationszeit (500 A.D), verschlungene Holzschnitzereien verweben Tiere und Bewegungen, schon beim konzentrierten Auflösen der Strukturen muss man sich so konzentrieren, dass man sich gut vorstellen kann, dass ihnen magische/schamanische Kräfte zugeschrieben werden könnten.
Es regnet weiter- Astrud Fearnley Museum mit moderner Kunst. Die meisten Besuchen sind in der Sonderausstellung, die reguläre Sammlung haben wir fast ganz für uns. Leider fast ausschließlich große Internationale Namen mit entsprechend typischen Werken. Weiter zum Holmenkollen mit der S-Bahn- auf dem Weg kommt man an Wohnblöcken und netten Holzhäusern vorbei, viel Einfachverglasung- ob der Windstrom so billig ist? Benzin kostet 1,80, für ein erdölförderndes Land viel. Es regnet weiter Landregen. Die Schanze ist mit ihrer Größe und Steilheit furchterregend. Dennoch ist der Blick über die Fjordlandschaft beeindruckend.

Morgens im Oslofjord geschwommen, checkmark (das Wasser ist auch nicht kälter als auf Anholt). Anscheinend gehört es zu den Morgenritualen auch in Norwegen: im Bademantel zum Meer gehen, eine kleine Runde drehen und den Tag beginnen. Nach der Feiernacht gestern abend auch mehrere Unterhosen auf der Strasse entdeckt- ein Wikingerklassiker: Nach dem Met ins eiskalte Wasser springen- zumindest den Kreislauf nüchtert das aus..

In der Kunsthalle eine große Ausstellung von Ida Ekblad, die Dame an der Kasse apostrophierte sie als die bekannteste aktuelle Künstlerin Norwegens. Oh, Bildungslücke! Ein Saal enthält überlängte Eisenöfen, eine Referenz auf E. Munchs Mädchen und Eisenofen, grau, subtil. Der andere Saal ist voller großformatiger, zu Gruppen gehängter Bilder, die auf der Basis von Plastisolstrukturen Himmelblau, Kirschrot, Weiß mit figurativen Anklängen darstellen. Die Titel sind gradezu Barock: „chip of concrete smelly sour limestone dusty dry on the tongues swallowed some“ und könnten aus einer Liste von hashtag-Vorschlägen stammen. Obwohl die Farben kinderfröhlich sind, sind die figurativen Elemente zerrissen, angerissen, weitergezappt. Mit der kuratierten Ausstellung transitions kann ich mehr anfangen: Durch die Auswahl und Gruppierungen kann man einfacher Bedeutungen und Ideen „sehen“.

Wir flanieren weiter und fahren mit der Tram zum Ekebergparken. Ein altes Ehepaar sitzt auf einer Bank und betrachtet das Panoptikum vor ihnen- ob sie das Oslo vermissen aus den Jahren, wo ihre Beziehung angefangen hat – oder ob sie stolz auf die großen Veränderungen sind, die sie miterleben können? Von dort kann man gut die ungeheure Umgestaltung sehen, die Oslo durchmach: die urbane Fjordlandschaft wird neu in Nutzungszonen eingeteilt, auch die Wohnungsbebauung wird hoch verdichtet. Dabei profitiert man sehr von den alten Grünanlagen wie genau dem Ekebergparken, der auf Betreiben der Arbeiterpartei 1911 von der Stadt angekauft wurde. Wenig Dachbegrünung, wenig sichtbare Wasserwirtschaft, viel Renommé für Architekturbüros. (ziemlich interessant: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwiP3b6I59vxAhXnxIsKHRSnADsQFjAEegQICRAD&url=https%3A%2F%2Fstorymaps.arcgis.com%2Fstories%2Fe7eb534426eb4151bea73359911d4a15&usg=AOvVaw2QJDsdHz1vLu_jI9nY7W4f)

Montags sind (fast) alle Museen der Welt geschlossen, also geht es weiter- Bye Bye schöne Stadt

Überfahrt Laesoe nach Oslo

Nach 27 Stunden Fahrt erreichten wir gegen Mittag Oslo. Wir liegen mitten in Oslo in der Aker Brygge Marina mit Blick auf das Rathaus.

Die Überfahrt war einfach. Eigentlich hatten wir durhaus Respekt vor dem Skaggerak und seinen Wellen. Die Soreg stellte sich aber als unbegründet heraus. Mit guten acherlichen Winden konnten wir an Skagen vorbei dann auf die Schwedische Küste halten. Hier wurde der generelle Süd-Nordstrom durch die südlichen Winde noch einmal etwas verstärkt, so dass wir trotz geringer Windstärke zügig voran kamen. Leider zog sich der Himmel entegen der Vorhersagen immer weiter zu, zum Glück blieb es aber bei Regen und es wurde kein Gewittter, wie wir es in Laeso in der Nacht zuvor erlebt hatten.

An frühen Morgen begrüßte uns der Oslofjord mit einem schönen Sonnenaufgang. Richtig dunkel war es garnicht geworden, mehr eine Phase der Dämmerung zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang. Eine sehr schöne Stimmung auf dem Meer

Zu Oslo später mehr.

Wir sind glücklich, haben wir doch unser erstes Wunschziel erreicht.

Laesoe – zwischen Kattegat und Skaggerak

Etwa 50sm nördlich von Anholt (siehe Bericht von Ulrike) liegt die Insel Laesoe, quasi auf der Grenze zwischen Kattegat und Skaggerak. Laesoe ist der erste neue Hafen, den wir auf unserem Törn anlaufen. Die bisherigen hatten wir schon früher ( mehrfach) besucht. Laesoe stand mehrfach auf dem Plan aber bislang war das Wetter und der Zeitplan eines Urlaubstörn dagegen.

Während früher Salz gewonnen wurde, ist heute Tourismus sicherlich ein wichtiger Faktor für die nur etwa 1700 Einwohner, die über die Insel verteilt wohnen. Viele Häuser scheinen unbewohnt – entweder sind es Ferienhäuser oder es ist Leerstand. Die Insel ist nicht reich.

Die Hafenanlage ist großzügig, die reichlichen und überdachten Sitzinseln zeugen auch von der nördlichen Lage, es wird schneller mal kühl, windig und regnerisch. Zu den dänischen Boote gesellen sich wenige deutsche und einige schwedische und norwegische Boote

Je nach Wetterlage geht es weiter nach Norwegen oder mit Zwischenstop in den schwedischen Schären

Anholt


Von Kerteminde nach Anholt. Nach der letzten Querung der Schifffahrtswege riecht das Wasser nach sauberem Meer, frischem Tag und dunkel schwer. Dunklen Wolke, wechselnden Winden aus fragwürdigen Richtungen bricht der Tag endlich weit im Nordosten an.
Sowohl die Griechen (Eos) als auch die Inder (Usha) haben diesem Moment eine hohe Göttin zugeordnet: Schöngesichtig die Griechische Göttin, freigiebig, wohlwollend und fordernd die indische Göttin,die Farbenzuordnung ist jeweils aus der Metereologie abgeleitet. Übermüdet vergessen wir das angemessene Trankopfer des ersten Morgenkaffees.
Der Wind wird günstig und trägt uns schnell nach Anholt. Schon eine Meile vor dem Hafen liegt der Harzgeruch von trockenen Kiefern auf dem Wasser. Wie immer ist sofort die Anholt-Stimmung da: das entspannte, offene Inselglück, Sonne, klares kaltes Wasser. So gut wie keine Landwirtschaft auf der Insel, auch hier schrumpft die ständige Einwohnerzahl. Ganz offiziell sucht die Gemeinde Personen, die hier im Winter wohnen wollen. Im Sommer ist es leicht und hell, trocken und voller Lebensfreude, aber die Saison ist nur kurz und der Winter wird herausfordernd sein, keine Ablenkungen werden die Verlassenheit und Strenge der Natur vergessen lassen
Am Weg zum Havnekontor duften die Hagebutten-Rosen, schnell ins Wasser. Zum Trocknen stecke ich meine Nase in das neue H&M Handtuch- das meinige hatte ich in Heiligenhafen versenkt. Der Geruch nach strengem Insektenpulver (um Einnistung von Ungeziefer in den Transportcontainern zu verhindern), typisch in den Filialen von H&M. Eigentlich hasse ich diesen Geruch, jetzt bin ich etwas freundlicher gestimmt, wegen der Ankündigung H&Ms, keine Baumwolle aus XinJiang zu beziehen.

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