Abstecher nach Lissabon/Flughafen

Nachdem wir ja 0 gesegelt sind mit Hannah ist Eisenbahnfahren nach Lissabon auf dem Plan.
Der deutlich sichtbare Verfall in Porto ist in Lissabon etwas abgeschwächt: Als erstes geben wir meine Rettungsweste zur Wartung ab, dazu müssen wir eine psychedelische Unterführung queren : komplett besprayt, sinistre Figuren skaten durch die Unterwelt, Klacken, Rollen, Klacken. Der Hafen in Santo Amaro macht einen modernen Eindruck, die Lokale drum herum sehen nach guter Ausgehmeile aus. Ein paar Straßen weiter nach Norden ist die LX-Factory, ein altes Industriegelände, in dem sich hippe Geschäfte angesiedelt haben, wie in China eine Zwischhennutzung, in der Geschäftsideen mal ausprobiert werden können. Eine riesige unabhängige Buchhandlung, in der ich Stunden verbringen könnte, cool. Das Marktgebäude etwas weiter ostwärts ist zweigeteilt: ein klassischer Gemüsemarkt mit üblichen Öffnungszeiten und ein fashionabler Foodcourt mit Streetfood, edleren Tellern und einem riesigen Spektrum von Getränken. Wir laufen weiter, während eines heftigen Regengusses stellen wir uns in einer Einfahrt unter, die durchaus auch noch als Einfahrt genutzt wird, fast wären mir die Fußspitzen abgefahren worden, so dicht behauptet der SUV sein Einfahrtsrecht. So fliehen wir in einen indischen Klamottenladen, der sich als wahrer Suk entpuppt, mit einer fast endlosen Folge von Kammern mit buntesten Kleidern, Farben Stoffe voll 60ties, unten in der Baixa sind asiatische Second-Handläden: Hier könnte man sich neu ausstaffieren für eine exotische Identität.
Mit vollem Kulturanspruch versuche ich Fado Noten zu kaufen, ein Anlauf: Musikinstrumentenmuseum – nix. Einer der zwei großen Instrumentenläden der Stadt: Die Verkäuferin meint, die Noten, die sie haben wären für nur Gitarre (Hat sie falsch geraten) aber im Fado Museum kaufe ich einfach ein Heft: Ich wundere mich darüber, dass eine Schriftform kaum zu existieren scheint, aber eigentlich ist es klar: wie Blues ist der Fado ganz Gefühl, wer es lesen will, liegt schon falsch.. Auf dem Restauradores Platz ist ein Obdachlosenzelt auf dem U-Bahnschacht aufgebaut, an einigen Stellen sind Kartonhäuser. Später sehe ich eine kleine Frau, schwarz angezogen, mit einem Tuch um den Kopf, wie aus den 30 ger Jahren, sie bettelt. Ich fahre mit dem Bus einen Umweg, kann ja mal passieren und komme durch Beato, wörtlich das Glückliche, ein Euphemismus, hier sind nur Betonblöcke, keine Eckkneipe, kein Lebensmittelmarkt, nur ein Geschäft annociert: compro Oro (kaufe Gold).
Porto hat mich immer wieder genarrt, durch die bergfaltige Topographie und gewundenen Straßen war die Stadt wie ein Spiegelkabinett: Man denkt, man ist nahe am Ziel und nach ein paar Minuten sieht man den Turm von einer ganz anderen Seite; Lissabon ist ähnlich, nur die Avenida Liberdade Achse und die Baixa (hier hatte das Erdbeben von Lissabon 1755 gewütet und die alten Viertel vernichtet, der Wiederaufbau erfolgte nach neuen hygienischen und aufgeklärten Grundzügen) geben etwas Halt, immerhin. Schöne Plätze: Kaffee vor dem Museum do Pharmacia (immer gibt es hier auch Straßenmusik) Castelo de San Joao – aber nach der Schließung der Burg.
Wir kommen an dem Ministerium für Umwelt vorbei, ein wunderbarer alter Palast mit herrlichem Garten, den wir nur erahnen können. Wir erhaschen einen Blick auf den Portier, der vor einem altertümlichen Aufzug seinen Arbeitsplatz hat, sehr formell mit Oberhemd und Krawatte, völlig untätig. Ich habe die Vorstellung, dass in einigen Palästen noch immer kleine alte Damen und hutzelige wohlgekleidete Herren leben, umgeben von alten Dingen und in einem träumerischen Leben befangen, Bücher mit wohlgesetzten Reimen durchblätternd und den Tag im Schatten blübender Kamelien verträumend, während andernorts sich arbnb Rollkoffer über die Plastersteine mühen, internationale Hipness zu verbreiten. Ich freue mich darauf, in ein paar Tagen mit Jürgen noch einmal zu kommen, es gibt so unendlich viel zu entdecken.