Mandal – Thyborøn
Da Schottland uns eine 14 tägige Quarantäne auferlegen würde, fahren wir nach Dänemark zurück. Ordentlich Wind aus der richtigen Richtung, am Himmel grollt es ab Mittag, mit Motorhilfe schaffen wir Thyborøn grade rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit. Streunende Seehunde empfangen uns im Fischereihafen, sie wissen schon, wo sie Fischreste finden können.
Die Windvorhersage ist unfreundlich, so bleiben wir vorerst. Fast drei Wochen Norwegen liegen hinter uns, wir hatten das Glück unsere Reise mit einem wunderbaren Land zu beginnen: Die kargen Felsen der Schären waren sommerwarm, wir fühlten uns getragen von der großen Freude der Norweger, nach der Pandemie Urlaub zu genießen, wer weiß wie lange die Freiheit dauert. Wieder einmal zeigt sich, dass ein niedriger Gini-Index, mit dem die Verteilung des Reichtums abgebildet werden soll (je näher der Wert bei 100 ist, desto stärker ist der Reichtum bei wenigen konzentriert) das Leben in einem Land freundlicher macht, mehr schöne Dinge sind in den Schaufenstern, mehr Leute sehen zufrieden und ausgeglichen aus, weil weder Angst um Besitz, Neid oder Sorge eine große Belastung sind, und das insbesondere fühlt sich gut an. Eine Reproduktionsrate von 1,84 ist auch klasse, weil es viele junge Leute gibt, viele Kinder, viele Familien haben drei oder mehr Kinder und wegen Gini (siehe oben) gibt es vieles, was Kindern Spaß macht- und Erwachsenen ebenso. Angeblich hat die private Bautätigkeit in den letzten zwei Jahren gegenüber den Vorjahren geringere Steigerungen (2-3%), aber die Dominanz von Maklern in den Innenstädten – wie auch bei uns z. B in Fallersleben) ist befremdlich für mich- Wie verändert sich eine Gesellschaft, wenn sich alles ums möglichst neue, große und international vermarktbare Häusle dreht?
Durch das Öl hat jeder Bürger ein Vermögen von ca 200.000€ im Staatsfond (Deutschland hat ca 50.000€ Schulden pro Bürger) und man merkt, dass der Staat investiert – in Infrastruktur (Steigerung des Eisenbahnausbaus um 50%, in Energieanlagen, Häfen, Straßen), aber auch in Bibliotheken, Schulen Theater, Kunsthallen. Das Kunstmuseum in Stavanger hat keine großen Namen, aber arbeitet die lokale Kunst auf, die Musikschulen vergeben Kompositionsaufträge und stellen Musiker ein, Künstlerstipendien werden vergeben. Viele künstlerische Räume scheinen sich bilden zu können. Aus meiner Sicht ist es eine kluge Strategie: Wer weiß, ob ein trademark-Name wie Jeff Koons in 50 Jahren noch den gleichen Wert wie heute hat- aber vielleicht ist ein junger Mensch unterwegs dazu, neue wichtige Werke zu machen?
Hoffentlich können wir die Entwicklungen noch einmal verfolgen.
Morgens beim Schwimmen in der Nordsee schaut mir ein Seehund zu, vielleicht aus 20 m Entfernung: zwei Köpfe, laut hörbarer Atem- zumindest ich wegen des kalten Wassers (offizielle 17°), wir genießen die frühe Morgenruhe. Irgendwann taucht der Seehund sehr elegant ab, ich stapfe zurück ans Ufer. Später sehen wir ganze Herden der Flut auflauernd, wahrscheinlich machen sie einfach das Maul auf und lassen die kleinen Sprotten hereinspülen. Morgen werden wir auf Photojagd gehen.