Torrevieja

Torrevieja

Um das Cap Palo herum, und schon sieht man die kilometerlange Parade der Hochäuser auf der Sandzunge des Mar Menor. Wir machen einen Bogen darum (man hört von Quallen, Überdüngung und Algenpest, zu warmes Wasser und Mücken..kurzum, alle Schrecken des Mittelmeer sollen dort auf uns warten- hic sunt Medusae) Als ich die Hafengebühren in Torrevieja in Metallico (cash) bezahlen soll, wittere ich natürlich unversteuerte Geschäfte.

Auf dem ersten Landgang in der Abenddämmerung kommen wir am abgewirtschafteten Resort Nautico International vorbei, eine tüchtige Combo aus zwei Personen unterhält die brightongestählten und dauergewellten Engländer mit einem Potpourri mindestens 20 Jahre alter schleimiger Hits, es ist laut genug, dass man sich nicht unterhalten muss und kann, dank der Doppelspitze ununterbrochen dudeln. Weit hinten kreischt eine Kirmes, und im Dunkel am Abwasserkanal übt eine Gruppe Jungs Rap-Battles mit gereckten Fäusten, es klingt plausibel underdog zornig. Der letzte Block des Resorts ist aufgegeben, dort wohnen die Putzfrauen mit ihren kleinen Kindern, im Hintergrund dödelt die Glotze, die Kinder toben auf der Straße und werden von den Müttern gemaßregelt die Resortgäste nicht zu belästigen. Ein paar Meter in Richtung Stadt oder eher der typische urban sprawl, Resultat einer Bauaktivität ohne auch nur die Spur eines Versuches, irgendetwas auch nur in Ansätzen in Richtung Ansehnlichkeit gestalteten zu machen: 8 stöckige Behältnisse für menschliche Ameisen.

Am nächsten Morgen fahren wir mit den Fahrrädern am Paseo Maritimo vorbei, seit langem sehe ich die ersten Kaffeekännchen auf der Terasse eines Cafés, hier müssen Deutsche zu Hauf sein. An einigen Stellen ist die Wasserkante schartiger Kalkstein, teilweise haben sich schon spontane Salzpfannen gebildet, andernorts knallen frisch nitratgedüngte Algen grellgrün heraus. Alle bewegen sich adiabatisch langsam, um ja nur keine unnötige Wärme zu erzeugen. T-Shirtgröße 3XL und entsprechende Kleidersäcke engen nirgends ein. Die Männer, die ihre Short-Beine so nach innen stecken, dass eine Form von kurzen Pumphosen entsteht, in denen man auch ein altersgerechtes Windelpaket verstecken könnte, haben garantiert die Diskussion vom letzten Jahr, wie kurz den Männershorts sein dürfen (ja, short Shorts stellen die Frage, ob lange Männerbeine attraktiv sein könnten, meine Einschätzung: negativ) nicht mitbekommen.

Ich ziehe meine Polarisierende braune Sonnenbrille an, es ist eine Zauberbrille, die alles in photoshop artige Kontraste und goldene Farben taucht, irgendetwas wird doch schön sein. Das Meer schlägt kleine Buchten, mit dem Kalkstein sieht es aus wie eine groteske Badelandschaft, das türkisgrün des Wassers ist karibik-tauglich, man kann darin liegen, fast ohne sich zu bewegen, so salzhaltig ist es, der Blick in den Himmel ist unendlich. Beim Raustappen über Bauschutt gestolpert. Hinter der Salzförderanlage und neben der Entsalzungsanlage (eine der größten in der Region, 200000 Kubikmeter Wasser pro Tag werden entsalzen, frag nicht, was dass für Energie kostet..) ist der rosa Teich, man kann ihn als außerirdische rosa Fläche auf google Maps gut erkennen. Einige liegen im Wasser, wie im toten Meer schauen die Körper zur Hälfte aus der rosa Lake heraus. Ob das bei der Entsalzung anfallende konzentrierte Salzwasser hier gleich zum Verdunsten gebracht wird, konnte ich nicht herausbekommen. Torrevieja hat etwa 80.000 Einwohner, seit 2014 Tendenz abnehmend, am Hafen ist ein Plakat auf Dänisch: „Wir verkaufen ihre Wohnung schnell und gut“. Was hat die Leute noch in den 90gern geritten, einfachste Bauten zu errichten, im Stadtinneren gähnen überall noch Brandmauern, und sie dann billig an Ausländer zu verkaufen (etwa 60 Prozent der gemeldeten Einwohner sind Spanier), nur um dann zu merken, dass man sich heftig mit Infrastrukturmaßnahmen verschulden muss (Entsalzungsanlage), um das irgendwie zu betreiben? Dies ist wirklich auch mit Zauberbrille nur mit der Ansage: Entspann dich, alles locker nehmen zu ertragen.