Wattenmeer


Der Blick über das Watt bei Ebbe und Sonnenuntergang war köstlich, der Modder sah auf einmal ockergolden aus und glitzerte bis weit draußen, zur Seite weiße Dünenhügel mit fahlgrünem Strandhafer, im Vordergrund marschige Wiese, über wölbt von Kiefern, die chinesische Tuschemaler entzückt hätten. Großartig, dass die Niederländer dieses Gebiet unter die Obhut des Weltkulturerbes gestellt haben
Wir erleben, dass mehr als die Uhrzeit Ebbe und Flut für hiesige Segler viel wichtiger ist: X Stunden vor oder nach Hochwasser ist Abfahrzeit, unabhängig von der Zivilzeit bestimmt der Tidenkalender den Tagesrhythmus. Egal wie viel Windwelle auf der Wasseroberfläche steht, die untergründige Flutbewegung verändert die wahrgenommenen Distanzen, mit dem Strom kommt das Ziel auf einen zu, gegen den Strom kämpft man gegen den Rückwärtssog und steilere Welle an, die Zeit bis zur Ankunft dehnt sich. Ob solche Erfahrung von Kindesbeinen an das Weltverständnis ändert? In Norwegen ist die Grenze zwischen Land und Wasser klar und hart, in Holland ist sie oftmals nicht so eindeutig, es kommt auf die Zeit an, manchmal öffnet sich ein Verbindungsweg auf dem Trockenen im Watt für einen gewissen Zeitraum auf einem veränderlichen, immer neu zu prüfenden Weg, manchmal ist er nicht mehr begehbar.

In vielen Orten an der See ist es einfach möglich, ein paar Meter Höhe zu gewinnen und schon hat man einen panoptischen Blick, das Land liegt vor einem, von oben hat man eine zusätzliche Perspektive, um die Verhältnisse zu sehen: Wo liegen die alten Häuschen, wo die neuen Hotelkomplexe, wo gibt es Felder, die bewirtschaftet sind, wo Tourismusflächen, Man kommt der Karte näher, und denkt, es wäre objektiver. Ist es das? Ist die Küstenline, mit ihrer verwirrenden Inselkulissenschieberei nicht viel stärker eine Schule der Wirklichkeitsfindung?

Die Vielgestaltigkeit der Insel gibt Terschelling auch Raum für Nischengruppen: hinter der ersten Siedlungsgruppe bildet sich die Zeltstadt der Jugendlichen, die am Wochenende anreisen, in der einen Hand einen Rollkoffer, in der anderen eine ebensogroße Soundbox auf Rollen, einer schleppt die Biervorräte- das Wochenende wird Party. Es scheinen Hunderte von der Fähre zu strömen.

Eine andere Nischengruppe sind die Traditionssegler, viele liegen beieinander in der flachen Ecke des Hafens, es wirkt fasst wie ein Jugendlager für Erwachsene und Familien, man erkennt sie an den warmen derben Stiefeln. Ein Dreimaster, der aussieht, als wäre er aus der Zarenzeit reaktiviert worden,kyrillische Buchstaben am Heck, wird allgemein anerkennend begutachtet.

Terschelling bis den Haag

Die Etappe bis den Helder führt uns durch die Waddenzee, Tonnenstrich fahren und beobachten, wie das Land sich hebt. Den Helder ist Standort der Beneluxmarine, wir liegen im Yachtclub der Marine umgeben von allem, was die Niederlande und Belgien an schweren Fahrzeugen aufbieten. Die Clubanlagen strahlen die Solidität von Kriegsgerät aus, alles groß und schwer. Die Marine der Niederlande ist, bei knapp einem Fünftel der Einwohner Deuschlands etwa halb so groß wie die Deutsche Marine und macht einen durchaus mächtigen Eindruck.

Von den Helder nach Ijmuiden zum drittgrößten Fischhafen der Niederlande. Der Hafen macht nicht den Eindruck eines Fischhafens, sondern eines rauchenden Industriehafens mit Verhüttungswerk und großen Schütthalden. Dennoch wird der Strand gesäumt von Badehausreihen, quasi als Linearisierung der gestapelten Wohnhochhäuser. Der Hafen ist Bestandteil eines in den 90gern gebauten Ferienresorts, Hotel, Kasino, Promenadebauten mit Chinarestaurant und Plastikschäufelchenvertrieb. Ein Windsurf – Basecamp ist später dazugekommen, vergangene Strukturentwicklungsvisionen.
Schließlich kommen wir in Scheveningen an, bei der Einfahrt in den Yachthafen höre ich Fahrradklingeln von oben, wir liegen in einem modernen Stadthafen, vergleichbar mit dem in Malmö. Abends ist er so voll, dass man fast zu Fuß über den Hafen gehen kann, nur eine schmale Gasse bleibt.