Seit gestern sind wir wieder zurück auf unserem Boot in Bilbao. Die Hinreise spät am Abend endete zunächst spannend – direkt nach dem ersten Touchdown startete der Pilot wieder durch. Durch den starken und böigen Rückenwind hatte er wohl die Befürchtung, dass die Landebahn kurz werden könnte. Der 2. Anlauf setzte etwas früher auf und kurz nach Mitternacht waren wir dann am Boot.
Bis auf den Radarreflektor am Achterstag, der abgefallen war, ist alles soweit in Ordnung. Wenig feuchte Luft, keine Schäden. Lediglich die Toilette musste ich heute erstmal auseinandernehmen -:)
Das Wetter ist natürlich wärmer als in Deutschland und soll in den nächsten Tagen auch noch besser werden – heute gab es erstmal kräftigen Wind und Regen. Aber wir konnten die schönere Zeit nutzen für eine nettes Valentins-Mittagsmal – um 15 Uhr.
Wir hoffen, dass wir in den nächsten Tagen das Boot weiter segelfertig machen können und am Wochende ggf. wieder aufbrechen könne.
Corona lässt uns – so wie viele andere – nicht los. Auch in 2022 bleibt die Situation zunächst schwierig.
Nachdem Lufthansa unsere Flüge nach Bilbao abgesagt hat und die Inzidenzwerte in Spanien extreme Höhen erreicht haben, haben wir beschlossen unseren Start in 2022 um gut 2 Wochen zu verschieben. Schade aber wohl notwendig. Jetzt wird es Mitte Februar werden bevor wir ins Segeljahr starten können. Immer noch früh genug um im Frühsommer im Mittelmeer zu sein und dann zu entscheiden wohin es in 2022 noch gehen soll. Nach den Erfahrungen im letzten Jahr haben wir uns vorgenommen unsere eigenen Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben.
Zum Abschluss des Jahres habe ich das Logbuch abgeschlossen und die Daten kurz zusammengestellt.
Unser Törn führte uns von Neustadt/Holstein durch Ostsee, Nordsee, Ärmelkanal und Biskaya nach Bilbao, von wo aus wir Ende November zur winterpause nach Hause flogen.
Reisetage – 152
Besuchte Länder – 9
Besuchte Häfen – 36
Segeltage – 42
Insgesamt legten wir dabei 2100sm zurück. Dabei musste uns 140hr der Motor helfen
Schäden oder größere Probleme am Boot hatten wir zum Glück nicht zu verzeichnen.
Wie wünschen Allen ein Gutes und Gesundes Jahr 2022
Der Termin für unseren Abflug nach Deutschland naht. Nächste Woche werden wir für 8 Wochen wieder nach Deutschland fahren – Weihnachten, Familie und Freunde treffen. Ab Ende Januar dann soll es weitergehen. In gewohnt kleinen Etappen dann erstmal über LaCoruna Richtung Lissabon.
Vor unserer Abreise wird das Boot für die Abwesenheit vorbereitet. In die Festmacher haben wir noch Ruckdämpfer eingearbeitet. Auch wenn wir hier ziemlich geschützt liegen, tritt doch recht häufig etwas Schwell auf. Dann ruckt das Boot heftig in die Festmacherleinen. Mit den Dämpfern ist das jetzt deutlich geschmeidiger.
Diese Woche ist auch endlich der Motorfachmann gekommen. Wir mussten da mehrfach nachhaken. Jetzt ist der Motor aber gewartet – Öl gewechselt, alle Filter getauscht, Impeller gewechselt. alles gereinigt. Nach fast 200 Betriebsstunden sah der Impeller aus wie neu, er liegt jetzt im Reservelager. Dafür war der Dieselvorfilter arg verdreckt – nach der Tankreinigung letztes Jahr hatte ich dies nicht so erwartet.
Für das nächste Jahr haben wir jetzt ein Sonnensegel für das Cockpit. Der lokale Segelmacher hat uns dies schnell und sehr sauber genäht. Damit sind wir unterwegs und im Hafen besser gegen die Sonneneinstrahlung geschütz. Es ist kleiner als normale Biminis – aber mehr geht bei uns leider nicht fest zu verbauen und wir wollen es eben auch unterwegs nutzen können.
Der Besuch beim lokalen (Vorort von Bilbao) Theaterfest war ein Erlebnis. Der Saal war sehr gut gefüllt, jung und alt ohne klaren Dress Code – gemischt. Das Stück eher laute Komödie, die Schauspieler eher eine Mischung aus gehobener Amateur verstärkt durch einige Profis. Insgesamt interessant aber sicher keine hochwertige Kultur und für einen Ort mit 50000 Einwohnern doch bescheiden.
Diese Woche war das Wetter noch einmal schön und wir haben drei Ausflugstage geplant: mit dem Bus nach Vitoria-Gasteiz, von dort nach Burgos und schließlich über Pamplona zurück, man könnte fast von amerikanischer Durchorganisiertheit sprechen. Vitoria hat die Verwaltung des Baskenlands gewonnen und damit einen Entwicklungsschub gemacht. Plaza Independencia, Plaza Nueva mit Arkaden, Plaza de Machete- prächtige städtische Räume zum Flanieren, Promenieren, Schwatzen, Spielen. Am Jakobsweg gelegen natürlich eine prächtige große Kirche, drum herum kleine Gässchen, klar noch nicht renoviert also vermutlich klein, dunkel, einfache Sanitäranlagen: Man hört arabisch, wir blicken in eine Turnhalle, in der sehr diszipliniert trainiert wird (ein Mädchen mit Hijab und langen Hosen spielt mit, eine junge Frau mit krusseligen Rastalocken verteilt gelbe Westen für die Mannschaftsaufteilung: hier ist der Sport der Integrationsplatz, ein paar dunkel alternative Kneipen, ein Spanisch- Sprachlernzentrum, spannend, wie hier Quartierentwicklung betrieben wird. Am Ende finden wir im Neubaubereich eine schöne Tapas-Kneipe mit leckeren Pulpo und Käserätionen. Fantastisch, was für Wein man bekommt. Das Museum für neue Kunst zeigt eindrucksvoll, wie in der Nach-Franco-Zeit die Region die Spielraume für Kunst gesucht hat und durch Vernetzung, Aufbau von Gemeinschaftsateliers und Mikro-Galerien neue Wege entwickelt hat, mit vielfältigen Verbindungen nach Lateinamerika, klarem Blick auf die Verhältnisse auslotend, was man zeigen kann.
Vitoria ist stolz auf seinen Grüngürtel und seine Straßenbahn (unsere Bilbao- Karte gilt auch hier) und Radwege-Infrastruktur, manchmal habe ich das Gefühl, dass sich das Neue vom Rande her entwickelt. Ich habe das Gefühl, dass man voller Stolz auf die Freiheiten der Autonomen Regionen hier die Entscheidungen schnell fällt und nach vorne schaut.
Burgos ist schon ein Bundesland weiter, liegt in Asturien, und hat eine sehr sehr prächtige Kathedrale, man sieht auch einzelne Personen eintreten, knicksen, sich bekreuzigen und beten. Uns gefallen die Flussauen, von Schattenbäumen und Springbrunnen flankiert, man spürt, wie hier der Stadtraum auf das abendliche Genießen des Abklingens der Tageshitze hin gestaltet wurde. Burgos liegt in Mitten einer kargen, menschenarmen Gegend, ich konnte nicht sehen, ob hier die sinnreichen Bewässerungsinfrastrukturen der Araber noch funktionieren. Da in Glasgow Klimakonferenz ist, wird im Fernsehen eine Simulation gezeigt, mit welchen tiefroten Temperaturen Zentralspanien zu rechnen hat, wenn die Klimaziele verfehlt werden.
Eine Menge von (Privat) Schulen, Schuluniformen, katholisch, in der Zeitung wurde von einer Demonstration berichtet, die fordert, öffentliche Schulen zu stärken- die Privatschulen wären ja recht unkontrolliert was Lehrinhalte betrifft und damit nicht vergleichbar.
Den Hemingway-Moment („Man kommt aus den regnerischen, grünen Pyrenäen nach Pamplona herein, Hitze, Trockenheit, Enge, billiger Wein, mutige Kerle“) hat sich bei mir nicht so richtig eingestellt, man merkt der Stadt an, dass sie durch die San Firmin-Tage mit ihren Stierläufen nicht nur die bildungsbeflissenen Pilgertouristen anzieht, sondern noch einmal eine weitere Zielgruppe anspricht und so einen weiteren Schub hat – ob es allerdings ein probates Mittel ist, einmal im Jahr ein paar Kerle in Lebensgefahr zu bringen, womöglich zu opfern, um die Schaulustigen anzuziehen? Na ja. Beim Blick in die Bäckereien zeigt sich, dass schon ein paar Jahrhunderte Zugehörigkeit zu Frankreich zu schönen Törtchen geführt haben, ich bin versucht, mich einfach iin eine der Schlangen einzureihen, egal was es dort gibt, wird schon gut sein..
Wir haben nun schon so viele Kirchen vom Jakobsweg gesehen, bestimmt 10%- sind wir jetzt schon 10% bessere Menschen? Jürgen sagte dazu ganz lapidar, dass wir ja noch keine Weltumseglung hinter uns haben mit langen einsamen Ozeankreuzungen, Albatrossen, Walen und Pinguinen. Immerhin haben wir Delfine gesehen, grade gestern habe ich mal wieder einen Eisvogel blau blitzen sehen, ein Moment, der einem grauen Tag auf einmal ein blitzblaues Stück Glück gibt.
Ich denke, dass Pilgerreisen eher weniger Konversionen als Risiko und Nebenwirkungen haben. Ob man Mitte und Ziel findet, mag an anderen Dingen liegen.
Wenn man in der Koje liegt, ist das Geräusch des Regens wie eine Kappe, die um einen herum liegt, kleine Klänge, die sich nur auf mich beziehen: ich kann nicht raus, ich werde nass, ich bin wie ein Schwamm, der von diesen Geräuschen gefüllt wird. Dann die abgeleiteten Geräusche, das Auftreffen der Tropfen auf dem Wasser, mit einem kleinen schmatzenden Geräusch. Das Lecken und Schmatzen der Wellen am Rumpf, glucksend, wenn eine Luftblase mit verschluckt wird. Wenn der Regen stärker ist, bildet sich eine Richtung aus, der Klang wird zur Fläche, die oberhalb von mir ist. Das Geräusch überlagert alle anderen Geräusche, ebnet sie ein. Der Regen ist eine halbdurchsichtige Schwamm-Wand, durch die der Wunsch nach Tätigkeiten aufgesaugt wird, Impulse kommen nur von den Wolkenfronten: wenn einmal ein Blau kommt, rennen wir zum Müll oder zur Toilette. Strategien werden entwickelt: Wie trocknet man die Luft? Wir achten peinlich darauf, den Feuchtigkeitseintrag zu minimieren, alles Nasse muss in die Kuchenbude. Die Wolken aus dem Atlantik hatte so viel mehr Anlauf, um Wasserdampf zu sammeln, dementsprechend ist auch viel mehr Regen darin, fast so als würden wir eine längere Überfahrt simulieren, weil wir nicht herauskönnen.
Gestern war es aber trocken und wir hatten Karten fürs Ballett in Bilbao, man zieht sich gut an, die Männer solide- behaglich, wie in China: Man zieht doch den teuren schönen Mantel nicht aus, sondern zeigt sich in ihm im Zuschauerraum, Gut gefüllt, es gab auch eine Vorberichtserstattung. Die Aufführung selbst hat mich enttäuscht: eine magere, zierliche Solistin, ein kräftiger Partner für die Tragefiguren, elegische Musik aus den 50 er Jahren zum Thema Liebe und Verlust, Heben, spreizen, drehen, kaum Temposchwankungen, der immer gleiche grade Ballettrhythmus, am besten könnte man es mit einer zu lang geratenen Eiskunstlaufkür vergleichen. Ich hatte mir von Spanien mehr erwartet: komplexe Rhythmik, die Auseinandersetzung mit der neuen Frauenrolle, statt dessen lana del rey phantasien mit Bildern von Cowboyhelden und Mustang-Autos, ein eingespielter Film mit einer interessanten Einlage eines weiteren Paares mit Hip-Hop Anleihen- keine credits. Die Franco-Zeit ist erst eine Generation her? Beim Herausgehen hörte ich, wie eine beleibte ältere Dame,ausdrucksstark geschminkt zu ihren Freundinnen sagte: „sublim“..und ich stelle mir vor, wie weit die bis zur Fadheit abstrahierte getanzte Emotion von ihrer konkreten Beziehungslage entfernt ist, in der sie bestimmt deutlich ansagt, wie die Familie (die Queen würde von Firma sprechen) funktioniert.
Plentzia: Sonntagsausflug mit der Metro- Die Ausflügler sitzen in den zahlreichen Restaurants in der Sonne, schmausen und trinken Wein, wie andernorts im Biergarten..
Santander: Vorbei mit dem Bus an einer großen Gießerei, an einer petrochemischen Anlage und Kläranlage- alles was raucht und stinkt. Hüttenwerke waren im frühen 20 Jahrhundert der Motor der Entwicklung der Stadt und des Hafens. In den 1970 Jahren galt Bilbao als eine der verschmutztesten Städte Spaniens. Der Strukturwandel hat viel daran geändert. Einmal raus aus der Peripherie, freue ich mich über oberbayerische grüne Wälder, die Kühe haben sogar Kuhglocken, dazwischen schnellwachsende Eukalyptuswälder und parasitär wucherndes Pampasgras- obwohl ich ja die großen weißen Wedel mit ihrer Helligkeit liebe. Effektiv hochgezogene Wohnblöcke selbst in kleineren Orten, anrührend, dass dicht dran gleich die Brackwassermänander der Rias fluten und man sieht Menschen dort draussen die Offenheit, das veränderlich Fluide der sumpfigen Flussauen und der Wasserarme genießen.
In Santander sticht der Bau von Renzo Piano für die Stiftung Botin der Santander-Bank heraus, die Flächen des Baus sind mit gewölbten irisierenden Scheiben gefliest, es erinnert an Muschelglanz. Der Bau steht auf einem sehr transparenten Sockel, in dem die Bar untergebracht ist und kragt weit über. Dadurch entsteht seltsamerweise eine besondere Rahmung des Blicks über die Bucht, das Blau des Wassers und des Himmels fügen sich zueinander um die Rotbuche, zu einer leichten hellen Herbstlichkeit. In der Ausstellung die Papierwelten von Thomas Demand, wie in Le Havre von Philip de Gobert wird man gefordert, die Substanz des abgebildeten zu entschlüsseln, aber während bei de Gobert immer auch die Bühne des Menschen spürbar ist, man mögliche Geschichten empfindet, ist die Papierwelt von Demand kalt und abstrakt. Wenn die Stichworte zur anlassgebenden Story nicht wären, würde man diese ganze Arbeit als Spielkram abtun. So, mit dem Bezug auf Matisse und seine Scherenschnitte oder die Folder (leer??) der ersten Pressekonferenz von Trump ergeben sich Hintergründigkeiten, so dass Kunstgeschichte aufgeblättert wird.
Langsam können wir auch die unterschiedlichen Wohnsituationen besser entschlüsseln, in Santander sind viele Blöcke alt, sie riechen nach moderndem Kalkstein, Wäschesterne hängen an den Balkonen, manchmal mit sehr flachen Schirmen, vielleicht gegen das Tropfen von oben, vielleicht gegen das Ausbleichen durch die Sonne. Schulkinder strömen in die umgebenden Wohnungen, wer auf wen wartet, wer bei der coolen Clique steht, oder pfeifend allein geht, abgeholt wird aber man bräuchte Whatsapp, um zu lesen, ob das, was man meint zu sehen, auch so ist, wie es scheint. Monotone Klaviermusik aus einem Fenster, dahinter Ballett- Elevinnen beim warm-up, wie anrührend die Einübung in einer antiquierten Kulturtechnik. Im Zentrum dann wieder Baukräne und Fassadenabstützungen, lieber doch noch einmal alten Glanz nach vorne hinaus restaurieren.
Einmal in der Woche etwa legt ein Wolkenkratzer an, ein Kreuzfahrer. Dann zischen die Busse im Minutentakt vorbei, einmal rein nach Bilbao und dann gegen Mittag wieder raus. Das Wenden ist ein Schauspiel: dreimal tuten und dann zirkeln, um die dreihundert Meter langen Riesen herauszubugsieren. Jürgens Geburtstag feiern wir mit einem späten Abendessen (früh geht in Spanien sowieso nicht), super zarter gegrillter Pulpo und frittierte Muscheln. Die erste Bäckerei am Platz baut ein sehr zierliches Päckchen mit handgeknüpfter Schleife- aber leider müssen wir konstatieren, dass Torten nicht so wirklich eine spanische Spezialität sind.
In den letzten Tagen hat sich ein brauner Schimmer sich verfärbender Blätter auf den umliegenden Bergen gebildet, im Hafenbecken treiben welke Blätter und letzte Kite-Foiler, Wir fahren ein paar Stationen mit der Metro raus und laufen auf dem Küsten-Jakobsweg, der böige Wind zieht die Hosenbeine zur Seite, aber der Blick reicht weit raus, die Wolken sind tief und blau, schon können wir die Schaumkrönchen auf dem Wasser sehen. Eine große Gruppe von Personen mit Windhunden kommt uns entgegen, wir stellen uns die wilde Jagd vor unten auf dem Strand, wenn sie losgelassen werden, aber schneller als die Windhunde kommt der Regen und dann, auf den letzten Metern werden wir noch tüchtig nass.
Wir haben uns Karten besorgt für ein Jazz Konzert im Theater Arriaga, was für ein Genuss: Das Theater ist ungeheuer prächtig, roter Samt, Kronleuchter, geschwungene imposante Marmortreppen und ornamentale Teppiche – in bestem Zustand. Das Konzert war voller Energie und man konnte so richtig mitgehen- was habe ich soetwas vermisst. Ansonsten machen wir Fahrradausflüge- westlich vom Bilbao Fluss, den Hafen entlang der riesig ist, Gasabfüllanlagen, Kraftwerk, Windkraftanlagen-Fertigung, Containerhafen: geschäftig. Östlich liegen die alten Villen und die neuen Villen, ein Stück radeln wir am Jakobsweg entlang, der Blick über die Klippen ist beeindruckend. Die Stadt ist reich: Fahrradautobahnen, neue Metro, Musikschule, Privates Europagymnasium, Pilateskurse, prächtige Kinderspielplätze: es ist schön, in einer so well to do Gegend zu sein.
San Sebastian Die Busstation in San Mames ist super modern, die Busse fahren in eine entlüftete Garage, Bahnsteige über eine Glaswand abgetrennt, alle halbe Stunde geht ein komfortabler Bus nach San Sebastian (1:15h über Autobahn). San Sebastian war Sommerfrische der spanischen Könige im 19. Jhrd, der Adel zog mit, heute immer noch ein etwas frivoles Flair durch die Sommerfeste (Jazz Fest, Kinofest) – die Vergangenheit als Festungsstadt ist nach dem Brand 1813 nicht mehr zu spüren. Auf der einen Seite der Bucht eine Skultur von Oneista (Konstruktion der Leere) und auf der anderen Seite der Bucht der Peine del Viento von Chillida- zu Lebzeiten Rivalen. Wir haben Glück, draussen ist viel Welle (angeblich über 4 m) und so tost auch in dem geschützten Concha-Strand (=Muschel) lebhafte Welle, die den Peine umgischtet und die Wasserorgel zum Zischen bringt. Es ist dem speziellen Ort zu verdanken, dass die Touristen die Skulpturen von allen Seiten, mit und ohne Familienangehörige photographieren. Großskulpturen aus einer Zeit, in der Bildhauer noch Raum definierten- heute wenden sie sich mehr den Menschen und den Nutzungen (vgl die Wippe als Wendeskulptur) zu.. Wir essen in einem entspannten Café- Restaurant – anders als im geschäftigen Bilbao ist hier wirklich Müßiggang angesagt. Die Fahrt durch die Berge erinnert viel an Voralpenland- nur die Siedlungen sind anders, durch große Wohnblöcke gekennzeichnet.
Wir wollen noch länger in Bilbao bleiben Wir diskutieren hin und her: Die ersten Herbststürme sind angemeldet, die ziehen durch und mischen das Meer für ein paar Tage auf, die Tage sind schon ziemlich kurz, aber die Temperaturen sind angenehm, grade fürs Wandern oder Fahren. Wir beschließen also, hier das Winterlager schon aufzuschlagen: Von hier aus kommen wir zu allen Orten, die wir hier erkunden wollen dank der effektiven Verkehrsinfrastruktur, der Hafen ist sehr geschützt, gut ausgestattet und mit allem, was man für Kontrolle und Ausstattung braucht, abgesichert und es gibt eine gute Verbindung nach Hannover mit dem Flugzeug. Wir erproben also das richtige Langfahrtleben mit langen Pausen, um das Hinterland zu erkunden.
Der Liegeplatz ist bis Anfang Februar gebucht. Dann soll es spätestens weitergehen. Zügig über La Coruna Richtung Portugal.
La Rochelle nach Bilbao: dunkle, lange Nacht, kein einziger Leuchtturm zu sehen, nachdem der Mond als verglühtes Kohlestück in der staubschwarzen Nacht verschwunden war, nur Sternenhimmel über uns und dasgrün leuchtende Segel. Bis zum Nachmittag konnten wir kein Land sehen – so weit weg waren wir noch nie zuvor. Getxo, der Hafen empfängt uns mit Schwaden von Seifengeruch und der Ahnung von Kohleheizung, Dicht gedrängt stehen große Baukubaturen im Mündungsbereich des Bilbao-Flusses, an der Promenade ein eindrucksvolle Reihe von viktorianischen Südlandphantasien (reiche Engländer haben hier Kurvillen gebaut, es müssen sehr reiche Engländer gewesen sein!), dahinter hohe Appartmentblöcke, häufig dunkelgeklinkert oder verputzt oder vergraut. Nach der strahlenden Helle von La Rochelle wirkt alles dunkel und ernsthaft. Mir wird klar, dass hier der Schatten gefeiert wird (es heißt der Sonne und die Schatten), Schatten ist milde, spendet Kühle, läßt Schlaf und Geselligkeit zu: Man pflanzt beschattete Gänge und Plätze, die tiefen Straßenschluchten ermöglichen Kühle am Grunde, das oberste Stockwerk ist höher, oft mit einer Decke abgesetzt, die offen ist und von einem weit überkragenden Dach wird etwas Schatten auf das darunterliegende Geschoss gespendet. Für den kommenden Klimawandel ist das eine wertvolle Strategie..Anderes Land, anderer Rhythmus: Spät Frühstücken (nur minimal), Geschäfte machen um 11 auf, machen um 14:00 zu, machen um 16:30 wieder auf bis 20:00, Essen ab 20:30- klar dass man dann am anderen Morgen kein Frühstück braucht, wir erinnern uns langsam daran. Auf dem Weg nach Bilbao sehen wir die Industriebauten- teilweise seit geraumer Zeit verlassen, aber viele noch aktiv genutzt: große Tanks, Fertigungs- und Lagerbereiche. Der AQI in Durango (liegt deutlich landeinwärts von Bilbao ist bei 163 (ab 35 wird grün zu gelb). Der Guggenheim -Bau ist sehr schön, zwischen all den strengen Häusern und Büroblocks ist er verspielt, glänzt, schwingt und dampft (?Klimaanlage?). Eine Gruppe von Frauen tanzt- es sind Putzfrauen, die für besseren Lohn protestieren, sie wollen soviel Geld verdienen wie männliche wie Straßenkehrer. Die Bewegung der Las Kellys (Las que Limpian) versucht in Spanien, eine bessere Bezahlung und deutlichere Wertschätzung zu erreichen. Der Bestand ist nicht vollständig zu sehen, das was zugänglich ist, ist internationale Qualitätskultur, da Guggenheim eine amerikanische Sammlung ist, natürlich von großen amerikanischen Namen dominiert, Richard Serra allein hat eine riesige Halle zur Verfügung gehabt. Die aktuelle Ausstellung zeigt die Amerikanerin Alice Neels mit einer großen Retrospektive: Ich bin unschlüssig: einerseits hat sie sich viel und intensiv mit Menschen in ihren Arbeiten auseinandergesetzt, sie platziert die Portraits und Figurinen mit der Intention der Charakterisierung auf dem Malgrund, aber ihre Farben sind einfach und eher flächig, Grenzlinien werden graphisch eingesetzt, fast wird ausgemalt. Anyway. Das Museo de Bellas Artes hat mich von den Exponaten stärker beeindruckt: einerseits hier klar der Fokus auf Baskischen und Spanischen Künstlern, von denen viele für mich eine Entdeckung sind, und zum anderen haben sie ein anregendes Ausstellungskonzept: Für jeden Buchstaben des Alphabets haben sie einen Begriff gewählt, zu dem dann Bestandswerke zusammengetragen werden. Das ergibt sehr anregende Kontraste und Sinnbezüge. Das Museumscafe war ein wunderbares Schaufenster auf die Menschen im Park, ein wahres Theater des Gehens: muskulöses Walking, plaudernde Frauengrüppchen, Paare in allen Gesprächs- und Schweigeformen, der zum Kinderwagenschieben abgeordnete Vater, der den Wagen weit von sich weg hält, alte Kinder mit noch älteren Eltern, die den obligatorischen Sonntagsbesuch absolvieren, gerne mit großen Konditor-Paketen. Auf der Plaza Mayor (autofrei) toben Kinder, Eltern treffen sich zum Trinken und Häppchenessen. Immer noch haben wir nicht herausbekommen, was man wannn wo essen kann, unsere Häppchen sind eher trocken, weil zu spät..Wir stellen fest, dass wir nun zwar schon Metro fahren können, Einkaufen und Wäsche waschen können- aber mit den Restaurants müssen wir noch üben.