Deba

wir liegen hier drei Wochen fest, der Krieg in der Ukraine ist nun schon 2 Wochen alt, im Fernsehen laufen die strategischen Kriegskarten, Frontbilder und humanitäre Reaktionen im Wechsel. Die Französischen Zeitungen zeigen dazwischen noch den Präsidentenwahlkampf, eigentlich will ich nur die Decke über den Kopf ziehen. Man könnte eine Meditation über die Grüntöne von Algenbewuchs machen, von Fahlgrüngrau, Salbeifarben, Maigiftgrün über Moosgrün zu Kadmiumgelb, Schichten von Farben mit einer grieseligen Textur, rauh und nur dann brilliant, wenn das Moos vollgesaugt ist mit Wasser, so dass die Tropfenoberflächen Glanztupfer daraufsetzen. Oder eine Fixierung auf zufällig herumschwimmende Strukturen, Wurzelstöcke, die wie Kormorankadaver auf dem lehmigen Grauwasser von Ebbe und Flut hin zu uns und wieder in die Ferne getrieben werden, zerschliessene Hemdchentüten, von anrührender Zartheit und Vergeblichkeit.

Eh was soll die Melancholie, es ist Krieg, wir sollten das tun, was wir können: unser Haus so gestalten, dass wir nie wieder russisches Erdgas brauchen.. Aber unser aktueller Plan ist, sich in Lissabon mit unserer Tochter Hannah zu treffen, wir werden die Zeit bis dahin mit Anstand irgendwie hier verbringen, ggf mieten wir ein Appartment für uns drei und sammeln uns irgendwie dort.

Wir fahren nach Deba, ein kleiner Ort, das westliche Ende des Geoparkes Flysch, ein Dutzend Kilometer von einer prähistorischen Kalksteinhöhle entfernt. Die Kirche ist bedeutend, romanische Skulpturen, herrliches Gewölbe, ein Votivschiff mit blendend hellen Segeln im Halbdämmer. Die vor mir eingetretene Frau richtet die Kirche, Spendenstock, Fürbittkerzen und Beleuchtugn für die Mittagspause her. Dämmerige Alltäglichkeit.

Hier wird sehr massiv baskisch gesprochen, vorwiegend ältere Leute, man wartet auf die Touristen, die erst in ein paar Wochen kommen werden. Auf dem Bahnsteig einer Station sehe ich eine alte Frau, krumm, ein unförmiger Körper in zahllosen Kleiderschichten, die oberste mit Stickereien- es könnte eine alte Baskin sein, aber mir fährt der Gedanke durch den Kopf, dass es vielleicht auch ein erster Flüchtling sein könnte. Die Bildschirme der Fahrkartenautomaten gehen auf Gelb – Blau, wenn sie nichts zu tun haben, in den Schaukästen der Bahnsteige hängen Gelb-Blaue Poster. Die Molenbefestigung durch riesige Steinquader, deren Bohrungskanäle sichtbar sind, es könnte ein Steinbruch verworfener Rückriem-Skulpturen sein oder abgesprengte Trümmer. Immer noch werden die Platanen gestutzt, ich versuche, meine Assoziation von amputierten Gliedmaßen und Baconscher Distorsionen auf die früher vorherrschenden Assoziationen von Knetesträngen, die auf fröhliche Kinderhände warten, zurückzudrängen.

Bald geht es weiter

Das Wochenende war hoffentlich das letzte Aufbäumen des Winters mit Regen und Temperaturen im einstelligen Bereich. Beim gestrigen Bilbao Marathon liefen die führenden Afrikanischen Läufer teilweise mit langen Hosen (7 Grad Lufttemperatur).

Heute scheint etwas die Sonne und wir können mal wieder das Boot richtig lüften um die Feuchtigkeit aus den Ecken zu treiben. Nachdem der letzte größere Einkauf ja schon 3 Wochen her ist, haben wir heute noch einmal richtig eingekauft – die Ware wird gleich noch geliefert, sehr praktisch. Damit steht dann der Abreise nur noch das angekündigte Regengebiet morgen im Weg. Dann soll es sonniger sein, einigermassen warm und auch die Wellen, die uns die letzten Wochen hielten, werden weniger. Mittwoch oder Donnerstag geht es dann endlich los. Wir wollen ums Kap Finstere und dann endlich Richtung Süden – wärmer und angenehmer. Aber zunächst geht es eben erstmal Richtung Westen – so schnell wie möglich.

Ukraine-


Ich habe lange keinen Beitrag mehr geschrieben, erst kamen wir nicht vom Fleck (Welle, Wind, Wetter, alles nicht genehm und auch nicht besser geworden) und dann der Krieg, diese große laut und öffentlich angekündigte, aber anscheinend unabwendbare Katastrophe- und jetzt, 10 Tage in das Geschehen, bleibt mir nur der Schrecken, dass der Ukraine ein Aleppo droht.
Ich kann so gar nichts mehr mit Konzentration machen, immer will ich schnell noch gucken, ob es vielleicht doch eine Lösung gibt.. Aber woher soll die Lösung kommen? Der Westen will spätestens jetzt Putin zur Aufgabe zwingen, dabei wird er nicht aufgeben müssen, die Feuermacht ist zu groß. Weiss Selenskij nicht, dass wenn er nicht verhandelt über irgendetwas, bald nichts mehr da ist, über das er verhandeln könnte?

Seit Tagen steht der Konvoi vor Kyiv, es ist so unglaubliche eine Provokation: Seht her, ihr könntet uns von oben vernichten, wir warten noch ein bischen mit entblößtem Oberkörper, und wenn ihr euch nicht traut oder es nicht könnt, dann wird die russische Armee Kyiv einkesseln und grausam vernichten. Und nun die nicht funktionierenden Korridore aus Mariupol, eine grausame Zermürbung, die auch noch meine Hoffnung zunichte macht, dass alle fliehen könnten und nur eine leere Stadt zurückbleibt.
Meine Emotionen sind voller Hass, Hilflosigkeit und Irrationalität- aber grade in solchen Situationen muss man doch klar bleiben: Jede Verhandlung ist eine Stunde nicht geführter Krieg, sind vielleicht ein paar nicht getötete Jungs. Das ist nicht call of duty- Ucraine session, das ist echtes Blut, echtes Leben, echter Schutt. Und immer noch nehmen wir das Öl und die Kohle ab, und finanzieren damit Putin weiter, ein russischer Ökonom in Amerika sagte, dass Putin Geldreserven hat für ein Jahr, erst, wenn er kein Öl mehr verkauft, wird er gezwungen sein, zu verhandeln. Und so werden wir uns daran gewöhnen, im Warmen zu sitzen und live mitzuerleben, wie so langsam die gesamte russische Feuerkraft anrollt und die Städte einkesselt und vernichtet, inklusive ziviler Personen und humanitärer Infrastruktur.
Ach ja, und dann gibt es noch die Hexenjagd auf alle Russen, derer wir habhaft werden können als Kollektivstrafe? Sag mir wie dus mit Putin hältst, ja oder nein, Einzelfallprüfung, Anhörung des Beklagten, Urteilsfindung, alles abgesagt.
Wir wollen gerne dem Helden Applaus zollen, es schmückt, sich auf die Seite des Schwächeren zu stellen und Waffen zu liefern? 100 Milliarden für Aufrüstung? Seid ihr verrückt, wisst ihr, welchen Klimaschaden ihr mit dem Mist anrichtet? Boykottiert das östliche Öl/Erdgas, kauft kein Holz aus sibirischen Wäldern, baut Windkraft, dann braucht ihr das Öl von drüben nicht zu kaufen..

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