Ibiza

Vor Cabo Nao war die See etwa ruckelig, aber dann biegen wir ab in Richtung Ibiza und es beginnt der schöne Teil der Überfahrt: Der Abend ist etwas dunstig und der Anbruch der Nacht zelebriert ein zart verschwebendes Farbspiel von helltürkis zu purpur, wie auf durchsichtigem Transparentpapier, Bergkulisse in schattengrau bis staubgrau, eine feine Mondsichel. Es ist sehr leichtes Segeln, eine nette Fahrt, kaum Welle, keine Fischer, wunderbare Sommernacht und so warm, dass man trotz des Segellüftchens keine lange Hose oder Jacke braucht. Wir legen im Kommunalhafen von San Antoni an, auf der Nordwestseite der Insel.

Ein kleines Nickerchen und dann auf in die Stadt: der erste Eindruck ist von überwältigender Brighton-Trostlosigkeit, English Pub an Irish Pub, Ramsch, Sandwichbuden und überall der Ticketverkauf für die Diskotheken. Ein pinkfarbenes Fahrgeschäft, abblätternde Leuchtreklame. Junge Leute in Disk-Uniform: Bikini plus Häkelkleid bzw Shorts und Tattoo-Oberkörper, manch einer sieht aus wie ein bemaltes Schulmäppchen. Man spürt so ein Jagdfieber, Lust und Dringlichkeit,

Tags drauf fahren wir nach Ibiza Stadt, dort ist Kreuzfahrer Eleganz, überschüssiges Kapital und alte Arabergeschichte, nette kleine Häuschen. Ibizenkische Szenen sind erahnter, aber eigentlich auch eher im kollektiven Gedächtnis als real präsentiert. Abends verbringen wir in San Antoni auf der Strandpromemenade Poniente del Sol- so wie alle anderen: Auf der Hundewiese und Car Park Brache stehen Leute mit Bierflaschen in der Hand, auf den Felsen kuscheln frischgefundene Pärchen, in den Restaurants und Bars tummeln sich diejenigen, die einen Diskoabend noch vor sich haben. Im Café del Mar wird sehr elegante Ambient Music aus Hochleistungslautsprechern kuratiert, es ist eine kühle, weite Ohrenlandschaft, die den Sonnenuntergang filmfähig untermalt, die murmelbunten großen runden Cocktailgläser schimmern und wir haben unseren Ibiza Moment.

Am Samstag ist in Las Dahlias Hippiemarkt, angeblich möglicherweise mit echten Hippies!, Überbleibseln der Kommune, die sich als Vietnam-Draft Flüchtlinge in den 70 er Jahren hier gebildet hatte. Viele Container aus Goa müssen jede Woche kommen, um die indischen Fummel hierherzuschaffen, hier und da gebastelte Taschen, Schmuck oder Tücher. Ein großer Markt, mit Gedränge aller, die noch einen Abglanz des Alternativlebens suchen. Alle Spielarten der Kleidungsassimilation finden sich: die Mädels mit dem ersten Indischen Top, die Neuankömmlinge, dann die Frauen, die schon ein ganzes Kleid übergeworfen haben, vielleicht beginnt so der Tanz und der verlorene Flip Flop wird vom Märchenprinz mit Tattoo zurückgebracht und schließlich die Habitues, die ein sorgfältig ausgewähltes Ibiza Outfit präsentieren, Sandalen mit Indianerfransen, Flatterkleid, Gürtel mit Gardinentroddeln und indischen Radjastanpaillettentaschen. Erster Regen seit Monaten, aber es sind nur 10 Minuten, zu wenig für Abkühlung.

Auf dem Heimweg sehen wir einen Jungen in einer Bar seine Erlebnisse aufschreiben. Er hat nur ein Blatt Papier vor sich, aber viele Erlebnisse, das Blatt ist mehrfach übereinander beschrieben, ein Psalimpsest seiner Dance Trance, geschwungene Kringellinien, sie könnten auch einfach die irrlichternden Paisleymuster der Kleiderstoffe sein, die sich tanzend in seine Linien einzeichnen.

Abends können wir noch beobachten, wie die Römer aus einer LARP-Veranstaltung zum Reenactment der Römischen Besiedlung den Abend nach der Veranstaltung bei Grillspeise und Tanz beenden, Ibiza-konform wird Rock n´Roll im Gladiatorenkostüm/mit Glitzertoga getanzt. Auch die alten Römer wussten sich zu vergnügen.

Am letzten Tag fahren wir noch zur Cala Salgada mit dem Bus, der uns an den PKW-Straßensperren bis fast hinunter zum Strand bringt. Herrlich klares Wasser, dunkel über den Posidonia Wiesen, türkis über dem Sand, es wird peinlich darauf geachtet, dass das Ankerverbot eingehalten wird, um das Seegras zu schützen. Der Strand ist auch am nachmittag noch vollständig unvermüllt, sensationell diszipliniert alle. Die Villen sind unter Bäumen versteckt, man kann sich der Illusion hingeben, in einer abgelegenen Bucht zu befinden.

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