Motoren, motoren, motoren, aber wir müssen weiterkommen. Vor dem Aluminiumhafen fahren wir Frachterslalom. Dennoch brauchen wir mal eine Pause von Lärm und Geschaukel und bleiben eine extra Nacht in Viveiro. Der Ort liegt im Flusstal, vermutlich werden viele von hier in den Aluminiumwerken arbeiten, das ist nur über den Berg drüber und hier hat man die bessere Luft. Wir machen eine kleine Wanderung zur St. Rochus Kapelle, die oben auf dem Berg liegt. Die Magnolien blühen hier grade, in Bilbao vor 10 Tagen war die Blüte schon vorbei, die Vegetation ist also etwas zurück, aber der Geruch von frisch geschnittenem Gras, vielfältiges Vogelzwitschern, -trillern, es klingt melodischer als das Mövenkreischen unten am Hafen und es kommt das Gefühl fast eines Osterspaziergangs auf. Oben etwas durch Diesigkeit weichgezeichnete Sicht, die Kapelle ist uralt und riecht nach kaltem Stein, Heiligkeit und Reinigungsmittel. Eine kleine Wirtschaft mit Grill labt uns ordentlich. Eigentlich wäre es schön, die Küste weiter zu erkunden, so zerklüftet und wild schaut sie aus, aber morgen gehts weiter nach A Coruna
Auch nach Ribadeo ist erst einmal Motoren angesagt, später finden wir Wind, sogar recht ordentlichen, aber dann gerät mir ein Überläufer in die Großschot, es klemmt und damit ist nicht das Großsegel nicht mehr manövrierfähig. Missmutig machen wir den Motor wieder an und trauern dem verpassten Wind nach. Glücklicherweise gelingt es Jürgen im Hafen, den Überläufer wieder aus dem Rollblock zu zerren. Ribadeo liegt deutlich oberhalb des Hafens, es gibt einen Aufzug, der einen kommod hochfährt in den Ort, der schöne ?Renaissancehäuser hat sowieFestungsanlagen zur Verteidigung Galiziens gegen Asturien oder gegen Piraten mit pittoresk bewachsenen Steinschichtungen. Irgendwie ein Drehort für Kostümfeste, so vergessen und abgelegen fühlt es sich an. Als ich morgens nach dem Bäcker suche, werde ich angesprochen, ob ich den Pilgerweg suche, sonst kommt man eher nicht hier vorbei. Wir lesen, dass 2020 ca 57000 Pilger die Jakobswege gegangen sind, das verteilt sich auf die verschiedenen Wege nach Santiago. Bestimmt gibt es auch Besucher, die ohne Pilgerbuch reisen, es sieht so aus, als würde der Ort im Sommer ein anderes Leben führen. In Dänemark zur Sommerszeit haben wir gerne über die Touristenströme geklagt, man könne ja gar nicht das wirkliche Leben sehen. Jetzt, in der privilegierten Situation, noch vor den Besuchern hier zu sein, nehmen wir die Orte in ihrer Wartesituation wahr, viele Wohnungen sind nicht bewohnt, viele Geschäfte sind noch dauerhaft geschlossen. Es sind auch viele Objekte zu verkaufen, vielleicht hat der ein oder andere auch die Covid-Schließungen nicht überstanden. Das „wirkliche“ Leben ist zusammengeschnurrt auf die wichtigsten Lebensadern, Zentralplatz, Hauptverkehrstrahen, man ist eingepumpelt in dunkle dicke wattierte Jacken, hält die Hände in den Taschen, während man die Kinder, die nach der Vorschule endlich einmal auf den Spielplatz dürfen, im Auge behält und mit den anderen Eltern spricht. Vielleicht muss man es als Winterstadt und Sommerstadt sehen, ohne dass eine der beiden wirklicher wäre?
Heute sind wir dann nach Aviles motort, wenigstens sonnig, in der Hafeneinfahrt blüht es rosa am Kreidefelsen, an einem großen Spalier der verschiedensten Kräne vorbei, die langsam und behäbig über den Schiffen mit großen Gesten operieren. Eine große Werft, ein Bau von Niemeyer, die Verwaltung wollte ihre Version des Bilbao-Effektes (Anlocken von Touristen mit spektakulärer Architektur) ausprobieren. In der Zeitung wurde aber grade berichtet, dass das wie ein großes Flight Control Center aussehende Café seit fünf Jahren nicht verpachtet ist und nun der Rat neue gute Konditionen für einen neuen Pächter anbieten will. In der Stadt dann größere 50-80er Straßenfluchten, in der Zeit hat sich die Bevölkerung verdoppelt, ein Platz ist eine Kombination aus Vorfeld des Fußballstadions und neue Stadtmitte. Zwei alte Frauen sitzen auf einer Bank, spannen ihre Regenschirme gegen die Sonne auf und strecken die nackten faltigen Füße mit rotlackierten Zehennägeln der Sonne entgegen: Man feiert die Sonne, das Herauskommen, den ausgiebigen Schwatz. Im Fischerviertel eine wirklich uralte romanische Kapelle, hier wartet man noch auf die Feierlaune. Der Transportarbeiterstreik geht weiter, langsam werden die Frischwaren im Supermarkt knapp, immer wenn ich welchen finde, kaufe ich den Joghurt in den großen Packungen.
Nach einem Tag Pause brechen wir nach Gijon auf, angesagt ist Flaute, aber nach ein paar kleinen Meilen nach Verlassen der Santanderbucht fällt ein steifer Wind auf uns herunter, in wenigen Minuten brist es auf, ein kurzes Mal habe ich 33 Knoten auf dem Windmesser gesehen, es riecht nach Regen und aus den Wolken hängen nasse Dunstschwaden wie von einem Spinnrocken, nach einer Viertelstunde ist es wieder weg, der Segelmacher hatte vor solchen Phänomen bei Wind mit Südkomponente gewarnt, und wie immer hat er mit seinen Einschätzungen recht behalten. Dennoch mussten wir zwei Drittel der Strecke motoren und legen bei Dunkelheit in Gijon an. In Gijon machen wir uns auf die Suche nach einer Gasflaschen-Füllmöglichkeit und erkunden dabei die verwinkelten dunklen Straßen und die superbreiten Straßen zwischen Wohnburgen, aber die Spanier sind mittlerweile sehr regelkonform und können uns nicht helfen (es ist verboten, LNG in Gasflaschen umzufüllen). Am Nachmittag machen wir dann das Touristenprogramm mit Chillidaskulptur (eher Beton-Brutismus) und der Gegend um Theater, Bibliothek und Rathaus: dort ist es wesentlich attraktiver. Eine Buchhandlung quillt gradezu über von Büchern und ist mir dadurch sofort sympathisch, ich spreche mit dem Buchhändler, ein klassischer Nerd mit schwarzem T-Shirt, Wollmütze. Er schätzt die Spanische Literatur als eher erdverbunden und realitätsnah ein, Spekulation oder Ideenhuberei wäre dem hiesigen Literaten suspekt, schließlich greift er in ein paar Stapel und zieht in der Mitte oder unten einige Bücher heraus, deren Inhalt er mir wortreich anpreist. Mal schauen, was er so gegriffen hat- für die nächsten Regentage bin ich versorgt.
Ein erster Blick aus dem Kajütfenster- ich kann nicht klar sehen. Es ist nicht ein beschlagenes Fenster, sondern die Luft selbst ist trüb, nimmt alle Farben aus dem Morgen, die Berge sind Schattenrisse, die Stadtsilhouette ist ein graues Weichbild. Die Luft ist voll Saharastaub, er liegt dicht auf dem Deck, in den leewärts gelegenen Ecken haben sich kleine halbmondförmige Dünenstrukturen angelegt. Gestern hatte ich noch ein fast monochromes Bild von Malaga in der Zeitung gesehen, hellziegelige Luft verschleierte die Konturen der Kirchen. Die Lichtspiegelungen auf dem Wasser hier sind wie Bismut schlierig und schillernd zwischen metallisch hellblau und kadmiumgelb. Wenigstens wärmer als sonst, es bleibt aber den ganzen Tag trüb. Wir machen einen langen Spaziergang an der Küste östlich von Bilbao und schauen den Surfern zu. Auf dem Erwachsenenspielplatz macht einer Handstand und kommt fast gar nicht mehr herunter, als Surfer muss man wohl eine gradezu artistische Gleichgewichtsbeherrschung haben.
Learning aus all den Verzögerungen insgesamt: Februar ist zu kalt, selbst dieser, von dem locals sagen, erwäre etwa 2 Grad zu warm gewesen und auch zu trocken. Und die erste Hälfte März ist auch noch zu kalt und zu nass für unsereins. Vielleicht kann man sagen, dass erst wenn es für Kastanienbäume warm genug ist um die Blätter auszutreiben, so langsam auch Segler daran denken könnten, mit warmem (!!) Unterzeug die Segel auszurollen, was so bei 15° tags und über 10° nachts sein dürfte. Selbst die Schweden jammern, der Lufttrocker würde nicht genug leisten und der bestellte und montierte Ofen funktioniere noch nicht 100%, man macht das Schnuten -Emoji..
Ich musste meine Klarinette zum Instrumentenmacher bringen, damit sie neue Schuhchen bekommt (Zapatillos, wir sagen Polster) Derweil fahren wir nach Castro Urdiales. Es liegt an einer alten römischen Straße, mittelalterliche Festung, Jakobsweg-Kirche, große Sommerappartmentanlagen. Die Sonne scheint!! Wir saugen die Wärme auf, und genießen, wie auch die Einheimischen, herauszukommen, alte Frauen machen sich sehr schick und sitzen mit einem netten Glas Wein oder Wermut im Café und begrüßen sich: Schön dich zu sehen, zwei Jahre waren wir nun eingeschlossen wie eine Auster!.
Am Busbahnhof fragt ein kleines Mädchen im Grundschulalter seinen Vater: bist du für die Russen oder für die Ukrainer, als ob das Fußballmannschaften wären, selbst kleine Kinder wissen, dass es Krieg in der Nähe gibt. Ich lese grade ein dusseliges Frauenbuch, sie zitiert einen Satz von Szymborska, der mich trifft: „Ferne Kriege entschuldigt, dass ich Blumen nach Hause trage“. In den Nachrichten wird dargestellt, dass facebook nun hate-speech gegen Russland nicht mehr sanktioniert. Verantwortung für Inhalte sieht anders aus: Grade im Krieg wäre eine Gegenöffentlichkeit eine, die nicht Stellung bezieht, sondern sehr sorgfältig versucht, Sachstände zu etablieren: Verhandlung kann nicht funktionieren, solange jeder im Gefängnis seiner gewaltigen Emotionen ist. Ach, schlimme Zeiten.
Nachts knarren die Fender, klopfen und zupfen die Leinen in den Klampen, wieder ziehen Wetterfronten durch. Wenn man nachts aufsteht, versucht man, sich genau in die huschelige Höhle wieder einzupassen, die man vorher gewärmt hatte, um nicht mit den feucht-kühlen Lakenteilen in Berührung zu kommen. Die Luken sind morgens dicht beschlagen mit Feuchtigkeit, solange die Tropfen klein sind, sieht aus wie eine Waranhaut, sind sie größer, eher wie Krokoleder. Wir sind auch wechselwarme Reptilien, solange es so unangehm ist, verharren wir in Starre. Wenigstens sieht es so aus, als könnten wir Montag weiter, aber das ist auch noch zwei Tage weiter und die Wettervorhersage und das Eintreten der Wahrsagung sind zwei verschiedene Dinge, sie kommen noch nicht mal aus einer Wundertüte mit buntem Puffreis.
Qualitätsvolkskunst, Akkordeon, Drehleier, Tambourins und Stimme. Einstimmiger Chorsatz, komplexe Rhythmik, die harmonische Begleitung ist dicht der Melodie folgend. Der Sänger Xabier Diaz erklärt, dass er Fieldrecordings gemacht hat, auf deren Basis er Lieder macht, er beobachtet die Schlagtechnik und Handhaltung, erläutert die Verbindung der Gesänge zu den Orten, die soziologische Bedeutung: Werbung um das Mädchen, Bitte um Hilfe in schwerer See, Arbeitsbegleitung bei der bäuerlichen Arbeit, erläutert er nicht, das wissen hier alle. Der Sänger schließt die Augen, wenn er wie ein Derwisch tanzt, wird die Bühne zu eng für seine komplexen Bewegungen, eine eigenartige aber wirksame Bühnenpräsenz. Eine lokale Brauchtumsgruppe nimmt an der Vorstellung mit Tanz und Gesang teilweise teil, es fügt sich in sein Konzept der Erhaltung und Vernetzung der lokalen Musik.
Das Publikum singt teilweise die Lieder mit, ist aus dem Stegreif fähig, die vielschlägigen Rhythmen aufzugreifen, es muss wirklich noch soetwas wie Pflege der traditionellen Musik geben. In Andalusien würden diese Darbietungen nicht ohne großgepunktete Flamenco Kostüme möglich sein, hier springen und schreiten die Teilnehmer so wie sie grade gekleidet mit im Reigen, es ist kein Spektakel für Touristen, sondern genuine allgemeine Belustigung. Es hat auch uns Spaß gemacht.
wir liegen hier drei Wochen fest, der Krieg in der Ukraine ist nun schon 2 Wochen alt, im Fernsehen laufen die strategischen Kriegskarten, Frontbilder und humanitäre Reaktionen im Wechsel. Die Französischen Zeitungen zeigen dazwischen noch den Präsidentenwahlkampf, eigentlich will ich nur die Decke über den Kopf ziehen. Man könnte eine Meditation über die Grüntöne von Algenbewuchs machen, von Fahlgrüngrau, Salbeifarben, Maigiftgrün über Moosgrün zu Kadmiumgelb, Schichten von Farben mit einer grieseligen Textur, rauh und nur dann brilliant, wenn das Moos vollgesaugt ist mit Wasser, so dass die Tropfenoberflächen Glanztupfer daraufsetzen. Oder eine Fixierung auf zufällig herumschwimmende Strukturen, Wurzelstöcke, die wie Kormorankadaver auf dem lehmigen Grauwasser von Ebbe und Flut hin zu uns und wieder in die Ferne getrieben werden, zerschliessene Hemdchentüten, von anrührender Zartheit und Vergeblichkeit.
Eh was soll die Melancholie, es ist Krieg, wir sollten das tun, was wir können: unser Haus so gestalten, dass wir nie wieder russisches Erdgas brauchen.. Aber unser aktueller Plan ist, sich in Lissabon mit unserer Tochter Hannah zu treffen, wir werden die Zeit bis dahin mit Anstand irgendwie hier verbringen, ggf mieten wir ein Appartment für uns drei und sammeln uns irgendwie dort.
Wir fahren nach Deba, ein kleiner Ort, das westliche Ende des Geoparkes Flysch, ein Dutzend Kilometer von einer prähistorischen Kalksteinhöhle entfernt. Die Kirche ist bedeutend, romanische Skulpturen, herrliches Gewölbe, ein Votivschiff mit blendend hellen Segeln im Halbdämmer. Die vor mir eingetretene Frau richtet die Kirche, Spendenstock, Fürbittkerzen und Beleuchtugn für die Mittagspause her. Dämmerige Alltäglichkeit.
Hier wird sehr massiv baskisch gesprochen, vorwiegend ältere Leute, man wartet auf die Touristen, die erst in ein paar Wochen kommen werden. Auf dem Bahnsteig einer Station sehe ich eine alte Frau, krumm, ein unförmiger Körper in zahllosen Kleiderschichten, die oberste mit Stickereien- es könnte eine alte Baskin sein, aber mir fährt der Gedanke durch den Kopf, dass es vielleicht auch ein erster Flüchtling sein könnte. Die Bildschirme der Fahrkartenautomaten gehen auf Gelb – Blau, wenn sie nichts zu tun haben, in den Schaukästen der Bahnsteige hängen Gelb-Blaue Poster. Die Molenbefestigung durch riesige Steinquader, deren Bohrungskanäle sichtbar sind, es könnte ein Steinbruch verworfener Rückriem-Skulpturen sein oder abgesprengte Trümmer. Immer noch werden die Platanen gestutzt, ich versuche, meine Assoziation von amputierten Gliedmaßen und Baconscher Distorsionen auf die früher vorherrschenden Assoziationen von Knetesträngen, die auf fröhliche Kinderhände warten, zurückzudrängen.
Ich habe lange keinen Beitrag mehr geschrieben, erst kamen wir nicht vom Fleck (Welle, Wind, Wetter, alles nicht genehm und auch nicht besser geworden) und dann der Krieg, diese große laut und öffentlich angekündigte, aber anscheinend unabwendbare Katastrophe- und jetzt, 10 Tage in das Geschehen, bleibt mir nur der Schrecken, dass der Ukraine ein Aleppo droht. Ich kann so gar nichts mehr mit Konzentration machen, immer will ich schnell noch gucken, ob es vielleicht doch eine Lösung gibt.. Aber woher soll die Lösung kommen? Der Westen will spätestens jetzt Putin zur Aufgabe zwingen, dabei wird er nicht aufgeben müssen, die Feuermacht ist zu groß. Weiss Selenskij nicht, dass wenn er nicht verhandelt über irgendetwas, bald nichts mehr da ist, über das er verhandeln könnte?
Seit Tagen steht der Konvoi vor Kyiv, es ist so unglaubliche eine Provokation: Seht her, ihr könntet uns von oben vernichten, wir warten noch ein bischen mit entblößtem Oberkörper, und wenn ihr euch nicht traut oder es nicht könnt, dann wird die russische Armee Kyiv einkesseln und grausam vernichten. Und nun die nicht funktionierenden Korridore aus Mariupol, eine grausame Zermürbung, die auch noch meine Hoffnung zunichte macht, dass alle fliehen könnten und nur eine leere Stadt zurückbleibt. Meine Emotionen sind voller Hass, Hilflosigkeit und Irrationalität- aber grade in solchen Situationen muss man doch klar bleiben: Jede Verhandlung ist eine Stunde nicht geführter Krieg, sind vielleicht ein paar nicht getötete Jungs. Das ist nicht call of duty- Ucraine session, das ist echtes Blut, echtes Leben, echter Schutt. Und immer noch nehmen wir das Öl und die Kohle ab, und finanzieren damit Putin weiter, ein russischer Ökonom in Amerika sagte, dass Putin Geldreserven hat für ein Jahr, erst, wenn er kein Öl mehr verkauft, wird er gezwungen sein, zu verhandeln. Und so werden wir uns daran gewöhnen, im Warmen zu sitzen und live mitzuerleben, wie so langsam die gesamte russische Feuerkraft anrollt und die Städte einkesselt und vernichtet, inklusive ziviler Personen und humanitärer Infrastruktur. Ach ja, und dann gibt es noch die Hexenjagd auf alle Russen, derer wir habhaft werden können als Kollektivstrafe? Sag mir wie dus mit Putin hältst, ja oder nein, Einzelfallprüfung, Anhörung des Beklagten, Urteilsfindung, alles abgesagt. Wir wollen gerne dem Helden Applaus zollen, es schmückt, sich auf die Seite des Schwächeren zu stellen und Waffen zu liefern? 100 Milliarden für Aufrüstung? Seid ihr verrückt, wisst ihr, welchen Klimaschaden ihr mit dem Mist anrichtet? Boykottiert das östliche Öl/Erdgas, kauft kein Holz aus sibirischen Wäldern, baut Windkraft, dann braucht ihr das Öl von drüben nicht zu kaufen..
Eigentlich das Stück zur Stunde, muss aber vor langem bereits geplant worden sein: ein Mash-Up der Shakespeareschen Königsdramen, dargeboten im Bühnenbild eines White Cube, viel Dekonstruktion theatralischer Momente: Falstaff schnallt sich den Fettsuit ab, der bereits ermordete Henri IV steigt nach eine Weile des Totseins in einer Fleischerei-Theke wieder aus diesem kalten Grab wieder auf, weil er im Anschlussstück seinen nächsten Auftritt hat. Erkenntlich wird Richard II, der zögerlich ist, die Königswürde zu beanspruchen und wie Hamlet zögert und schwankt, was wirklich für ihn ist, an seiner Wahrnehmung, seinen Ziele, seiner konkreten Position im Geflecht der anderen Machthaber zweifelt und in Melancholie verfällt, erkenntlich wird auch Richard III, der sich selbst als seines Glückes Schmied feiert, aber sich atavistisch/ kindlich letztendlich nur das Glück auf dem Pferderücken erträumt. Alle anderen sind komplexer, aber leider für mich ohne tiefe Shakespeare-Kenntnis der anderen referenzierten Werke nicht auflösbar. Viel Theaterblut, viel Unterwäsche, eher musikalische Reihung und Collagierung als eine dicht gewobene Argumentation. Volles Haus, großer Aupplaus.